Julia Quinn
entsetzt an, dass
er flüchtig glaubte, sie würde in Tränen ausbrechen. »Es ist alles in bester
Ordnung«, schwindelte er mühsam. »Ich habe mir nicht wehgetan.« Sie
warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Jedenfalls nicht sehr.«
Sie schluckte. »Ich bin manchmal so
schrecklich unbeholfen. Selbst Susan weigert sich, mit mir zu tanzen.«
»Susan?«
»Meine
Schwester. Sie ist vierzehn.«
»Aha.«
Sie nagte an ihrer Unterlippe.
»Wollen Sie wirklich nicht, dass ich Ihnen aufhelfe?«
James hatte bereits versucht, sich
aus seiner dornigen Falle zu befreien, doch er musste einsehen, dass es ihm
allein wohl nicht gelingen würde. »Ich gebe Ihnen jetzt meine Hand«, wies
er betont langsam an. »Und dann ziehe ich mich daran hoch. Ist das klar?«
Sie nickte.
»Keine Schritte
nach vorn oder zur Seite, sondern nur ...«
»Ich habe verstanden!« fiel sie
ihm gereizt ins Wort. Und ehe er sich versah, hatte sie ihn mit einem Ruck aus
dem Rosenbeet gezogen. James konnte sie nur anstarren, fassungslos darüber,
wie viel Kraft dieses kleine, zierliche Persönchen hatte. »Ich mag unbeholfen
sein«, sagte sie. »Aber ich bin nicht dumm.«
Wieder war er völlig sprachlos, und
das kam bei ihm wirklich nicht häufig vor.
»Sind Sie verletzt?« erkundigte
sie sich knapp und zupfte ein paar Dornen aus seiner Jacke. »Sie haben Kratzer
auf der Hand. Sie hätten Handschuhe tragen sollen.«
»Dazu ist es viel zu heiß«,
murmelte James und beobachlete sie dabei, wie sie weitere Dornen aus seiner
Kleidung zog. Sie musste vollkommen unschuldig sein – keine Dame mit Erfahrung
hätte so nahe vor ihm gestanden und mit ihren Händen über seinen Körper
getastet ... Nun gut, da ließ er sich wohl von seinen Wunsch Vorstellungen
etwas überwältigen. Sie tastete nicht gerade über seinen Körper, aber seine Reaktion
war trotzdem dieselbe. Sie war so nahe. Er brauchte nur die Hand auszustrecken,
um ihr Haar zu berühren, fühlen, wie weich es war, und ... Großer Gott, er
konnte ihren Duft wahrnehmen. Er erstarrte.
Sofort nahm sie die Hand weg und sah
ihn arglos an. »Stimmt etwas nicht?«
»Was sollte nicht stimmen?« gab
er gepresst zurück.
»Sie sind zusammengezuckt.«
Er lächelte angestrengt. Wenn sie
wüsste ...
Sie zupfte einen weiteren Dorn aus
seinem Kragen. »Und Ihre Stimme hört sich auch irgendwie seltsam an.«
James räusperte sich. »Ich habe nur
etwas in den Hals bekommen.«
»Ach so.« Sie trat einen
Schritt zurück und betrachtete ihn prüfend. »Oh, da habe ich einen
übersehen.«
Er sah in dieselbe Richtung wie sie
auf seinen Oberschenkel. »Den entferne ich«, bot er hastig an.
Sie errötete. »Ja, das ist das
Beste. Aber ...«
»Aber?«
»Da ist noch einer«, bemerkte
sie verlegen.
»Wo denn?« fragte er, nur um
sie noch mehr zum Erröten zu bringen.
»Nun ... dort.« Sie zeigte mit
dem Finger darauf und wandte sich mit glühenden Wangen ab.
James schmunzelte. Er hatte ganz
vergessen, wie viel Spaß es machte, Frauen in Verlegenheit zu bringen. »Gut.
Sind jetzt alle weg?«
Sie drehte sich wieder zu ihm um,
begutachtete ihn und nickte. »Es tut mir wirklich furchtbar Leid«, sagte
sie und senkte zerknirscht den Kopf.
»Schon gut, ich denke, das haben wir
bereits geklärt.«
»Ich weiß, aber Ihr Gesicht ist
ziemlich zerkratzt. Wir sollten unbedingt Salbe darauf ... was riechen Sie da
eigentlich?«
Ertappt. Er bedachte sie mit einem
jungenhaften Lächeln. »Sie duften nach Rosen.«
»Nein.« Jetzt schmunzelte sie
ebenfalls. »Sie duften nach Rosen.«
James fing an zu lachen. Sein Kinn
schmerzte, seine zerkratzte Haut brannte, aber trotzdem – er musste lachen.
Er merkte, dass Miss Hotchkiss ihn argwöhnisch betrachtete. »Keine Angst, ich
bin nicht übergeschnappt«, versicherte er heiter. »Ihr Angebot mit der
Salbe würde ich allerdings gern annehmen.«
Sie knickte kurz. »Dann sollten wir
am besten ins Haus gehen. Neben der Küche befindet sich eine kleine Kammer, in
der Lady Danbury ihre Medikamente aufbewahrt. Bestimmt finde ich dort
irgendeine Salbe oder Tinktur für Sie.«
»Wollen Sie das, nun ja, wollen Sie
selbst ...«
»Ihre Kratzer behandeln?«
vollendete sie seinen Satz. »Keine Sorge, selbst ich bin geschickt genug,
solche Wunden zu versorgen, ohne Sie in Lebensgefahr zu bringen. Ich habe das
öfter getan, als Sie sich vorstellen können.«
»Ihre Geschwister sind also jünger
als Sie?«
Sie nickte. »Und überaus
einfallsreich. Erst gestern teilten mir Lucas und Jane
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