Julia Quinn
ich diese
Eigenheiten kennen.«
»Das stimmt.« Sie nickte
nachdenklich. »Natürlich kann ich nicht richtig beurteilen, was Sie wissen
möchten, da ich noch nie einen Besitz verwaltet habe. Und Ihnen geht es
wahrscheinlich ebenso, da Sie ja auch noch nie als Verwalter tätig gewesen
sind.«
Er sah sie scharf an. »Das habe ich
niemals gesagt.«
Sie blieb stehen. »Ach, nein?
Gestern sagten Sie doch, Sie kämen aus London.«
»Ich sagte nur, ich hätte in London
nicht als Verwalter gearbeitet. Das bedeutet aber nicht, dass ich es nicht
davor getan hätte.«
»Ich verstehe.« Sie warf ihm
einen prüfenden Blick zu. »Und wo haben Sie als Verwalter gearbeitet?«
Sie stellte ihn auf die Probe.
Warum, wusste er nicht so recht, aber sie stellte ihn eindeutig auf die Probe.
Nun, er würde sich nicht in eine Falle locken lassen. Er hatte schon mehr
Tarnungen angenommen, als er zählen konnte, und noch nie hatte er sich verraten.
»In Buckinghamshire«, sagte er. »Dort bin ich aufgewachsen.«
»Ich habe gehört, dass es da sehr
schön ist«, bemerkte sie höflich. »Und warum sind Sie von dort
weggegangen?«
»Aus den üblichen Gründen.«
»Und zwar?«
»Warum sind Sie so neugierig?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich
bin immer neugierig. Da können Sie fragen, wen Sie wollen.«
Er hielt inne und brach eine Rose
ab. »Wunderschön, nicht wahr?«
Sie seufzte hörbar auf. »Mr.
Siddons, ich fürchte, da ist etwas, was Sie von mir noch nicht wissen.«
James verfiel in größte Anspannung.
Was kam jetzt?
»Ich habe drei jüngere
Geschwister.«
Er war ehrlich verblüfft. Welche
Rolle spielte das denn nun?
»Und daher ...« Sie lächelte
ihn so freundlich an, dass er fast geneigt war zu glauben, sie wolle wirklich
nur eine amüsante Unterhaltung führen. »Und daher kann ich es sehr gut
durchschauen, wenn jemand einer Frage ausweicht. Meine Geschwister finden,
dass ich das sogar beängstigend gut beherrsche!«
»Das kann
ich mir vorstellen«, murmelte er.
»Sie jedoch sind nicht eins von
meinen Geschwistern«, fuhr sie liebenswürdig fort. »Sie sind ganz gewiss
nicht dazu verpflichtet, mir von Ihrer Vergangenheit zu erzählen. Wir alle
haben ein Recht auf eine gewisse Privatsphäre.«
»Nun, ja ...« Er fragte sich,
ob sie nicht doch einfach nur das war, was sie zu sein schien – eine reizende
junge Dame, die auf dem Land aufgewachsen war.
Wieder lächelte sie ihn an. »Haben
Sie Geschwister, Mr. Siddons?«
»Ich? Nein.
Warum?«
»Wie ich schon sagte, ich bin
unendlich neugierig. Die Familie eines Menschen kann sehr viel über seinen Charakter aussagen.«
»Und was sagt Ihre Familie über
Ihren Charakter aus, Miss Hotchkiss?«
»Dass ich sehr loyal bin, vermute
ich. Und dass ich alles für meine Geschwister tun würde.«
Einschließlich einer Erpressung? Er
neigte sich zu ihr, kaum merklich, dennoch genügte das, um sie erröten zu
lassen. James registrierte es mit typisch männlicher Zufriedenheit. Sie starrte
ihn nur an, offensichtlich war sie zu unerfahren im Umgang mit einem so
selbstbewussten Mann. Ihre Augen waren riesig und vom intensivsten Blau,
das James je gesehen hatte. Sein Herz schlug schneller.
»Mr.
Siddons?«
Ihm wurde
heiß.
»Mr.
Siddons?«
Er würde sie einfach küssen müssen.
Er konnte nicht anders. Es war ein vollkommen absurder, unmöglicher Einfall,
doch er kam nicht dagegen an. Er trat näher und sehnte sich schon nach dem
Moment, wo seine Lippen endlich die ihren berühren würden, und ...
Was war das? Sie hatte einen
seltsamen, hohen Laut ausgestoßen und wich erschrocken zurück. Dabei verlor
sie offenbar das Gleichgewicht. Verzweifelt schwenkte sie die Arme, um nicht zu
stürzen, und dabei traf sie ihn mit der Hand am Kinn. Ziemlich schmerzhaft
sogar.
»O Verzeihung!'« bat sie
hastig. »Lassen Sie mich sehen, habe ich Ihnen wehgetan?« Und dann ging
plötzlich alles sehr schnell. Sie wollte wieder auf ihn zutreten, geriet
ernsthaft ins Stolpern, prallte gegen ihn, und er stürzte rücklings zu Boden.
Zumindest hatte er gedacht, zu Boden
zu stürzen. Oder besser gesagt, er hatte es gehofft. Denn alles wäre besser
gewesen, als mitten im Rosenbeet zu landen.
5. KAPITEL
»Es tut
mir ja so
Leid!«
»Bitte, sagen Sie es nicht«,
grollte er, unfähig zu beurteilen, welcher Körperteil am meisten schmerzte.
»Aber es stimmt!« klagte sie.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen auf.«
»Nein!« brauste er auf und
fügte etwas ruhiger hinzu: »Bitte nicht.« Sie sah ihn so
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