Julia Quinn
passiert.
Andererseits war er aber auch selten so lange von seiner Tante verhört worden.
»Allerdings kennen wir uns erst ein paar Tage«, fuhr er fort. »Das reicht
sicher nicht aus, sich eine Meinung zu bilden.«
»Hm.« Agatha schwieg eine
scheinbare Ewigkeit, doch dann wandelte sich ihr Gesichtsausdruck vollkommen.
»Hast du schon Fortschritte bei deinen Ermittlungen gemacht?«
James zuckte mit keiner Wimper. Er
war die Gedankensprünge seiner Tante gewohnt. »Nein«, teilte er ihr
unumwunden mit. »Ich kann nur wenig tun, solange sich der Erpresser nicht
wieder meldet. Ich habe dich bereits zu deinen Bediensteten befragt, und du
hast mir versichert, dass sie alle viel zu loyal oder zu ungebildet sind, um
sich so etwas auszudenken.«
Ihre eisblauen Augen wurden ganz
schmal. »Du hast doch nicht immer noch Miss Hotchkiss in Verdacht, oder?«
»Es wird dich freuen zu hören, dass
sie für mich als Verdächtige ausgeschieden ist.«
»Was hast du sonst noch
unternommen?«
»Nichts«, gab James zu. »Es
gibt nicht viel, was man unternehmen könnte. Wie schon gesagt, man wird wohl
den nächsten Schritt des Erpressers abwarten müssen.«
Lady Danbury verschränkte die
Finger. »Das heißt also, du bist gezwungen, in Danbury House zu bleiben, bis
der Erpresser seine nächste Forderung stellt?«
James nickte.
»Ich verstehe.« Sie lehnte sich
in ihrem Sessel zurück. »Dann wirst du weiter als mein Verwalter auftreten müssen, damit niemand hinter deine wahre Identität kommt.«
Er warf ihr einen strengen Blick zu.
»Agatha, du hast mich doch nicht etwa hergelockt, damit du einen Verwalter bekommst, der umsonst für dich
arbeitet?« Auf ihren gekränkten Blick hin fügte er hinzu: »Ich weiß
schließlich, wie knauserig du sein kannst!«
»Ich kann nicht fassen, dass du so
etwas von mir denken könntest«, gab sie pikiert zurück.
»So etwas
und noch viel mehr, liebe Tante!«
Sie lächelte zuckersüß. »Es tut
immer gut, wenn man Respekt für seine Intelligenz gezollt bekommt!«
»Deine Schlauheit ist etwas, das ich
niemals unterschätzen würde.«
Sie lachte. »Ich habe dich gut
erzogen, James. Ach, ich liebe dich!«
Seufzend stand er auf. Sie war eine
clevere alte Person, und sie hatte keine Hemmungen, sich in sein Leben einzumischen und es gelegentlich auf den Kopf zu stellen, aber er liebte sie auch.
»Dann kehre ich jetzt zu meinen Pflichten zurück. Wir wollen doch nicht, dass
mich jemand für einen nachlässigen Verwalter hält.«
Sie warf ihm einen empörten Blick
zu. Agatha konnte von anderen Leuten Sarkasmus nur schlecht vertragen.
»Du wirst mich verständigen, sobald
du neue Nachricht von dem Erpresser erhältst«, fügte er hinzu.
»Auf der
Stelle«, versicherte sie ihm.
An der Tür blieb er stehen. »Ich
habe gehört, dass du morgen Gäste erwartest?«
»Ja, ich gebe eine kleine
Gartenparty, warum?« Doch ehe er noch antworten konnte, fiel es ihr selbst
ein. »Ach, natürlich, du willst nicht erkannt werden. Hier, ich gebe dir die
Gästeliste.« Sie deutete quer durch das Zimmer. »Holst du mir mal bitte
diese Schachtel mit Papieren vom Schreibtisch?«
James tat,
wie ihm geheißen.
»Gut, dass ich deinen Namen geändert
habe, nicht wahr? Es wäre dumm, wenn einer der Bediensteten einen Mr. Sidwell
erwähnen würde.«
James nickte, während seine Tante
die Papiere durchsah. Im Allgemeinen kannte man ihn als Riverdale, und das,
seitdem er mit zwanzig den Titel übernommen hatte. Dennoch war sein
Familienname ebenso bekannt.
»Aha!« meinte Agatha zufrieden
und zog einen cremefarbenen Bogen Papier hervor. Sie überflog ihn kurz. »Ach
je. Du kennst bestimmt mindestens einen von ihnen«, murmelte sie, ehe sie
ihm das Blatt aushändigte.
James las die Namen und ließ seine
Tante in dem Glauben, dass er sich nur deshalb für die Liste interessierte,
weil er seine Identität geheim halten wollte. In Wirklichkeit wollte er jedoch
sehen, wer von den eingeladenen Männern als Ehekandidat für Elizabeth infrage
kommen könnte.
Sir
Bertram Fellport. Trinker.
Lord! Binsby. Krankhafter Spieler.
Daniel,
Lord Harmon. Verheiratet.
Sir
Christopher Gatcombe. Verheiratet.
Dr.
Robert Gifford. Verheiratet.
Mr.
William Dunford. Schürzenjäger.
Captain
Cynric Andrien. Zu
militärisch.
»Das kommt alles nicht infrage«,
grollte er und hätte den Bogen am liebsten zusammengeknüllt.
»Stimmt
etwas nicht?« wollte Agatha wissen.
Er sah überrascht auf. Er hatte ganz
vergessen, dass seine Tante im
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