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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wie heiratet man einen Marquis
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Keiner hat einen Verdacht
bekommen, und wenn doch, so hat zumindest nie jemand etwas gesagt.«
    »Du hast ihn – geschleppt?«
wiederholte er ungläubig. »War dein Vater denn ein kleiner Mann? Ich meine, du
bist sehr zierlich und ...«
    »Er war ungefähr so groß wie du, nur
vielleicht etwas dünner. Ich weiß nicht, wo ich die Kraft hernahm«, meinte
sie kopfschüttelnd. »Vielleicht entsprang sie meiner Panik. Ich wollte nicht,
dass die Kinder mitbekamen, was er getan hatte.« Ein unsicherer Ausdruck
trat in ihre Augen. »Sie wissen es bis heute nicht.«
    Er drückte ihre Hand.
    »Ich habe auch immer versucht, nie
schlecht über ihn zu reden.«
    »Und diese Last trägst du seit fünf
Jahren mit dir herum«, stellte er zärtlich fest. »Geheimnisse wiegen
schwer, Elizabeth. Es ist sehr mühsam, sie allein zu tragen.«
    Sie zuckte müde die Achseln.
»Vielleicht habe ich das Falsche getan, aber ich geriet in Panik. Ich wusste
nicht, was ich sonst hätte tun sollen.«
    »Es klingt, als hättest du das
einzig Richtige getan.«
    »Er wurde in geweihter Erde
begraben«, fuhr sie fort. »Für die Kirche, überhaupt für alle außer mir,
war es kein Selbstmord. Alle kondolierten uns, sprachen von einer solchen
Tragödie – und ich musste an mich halten, dass ich nicht die Wahrheit
herausschrie.« Sie wandte ihm ihr Gesicht zu. Ihre Augen schimmerten feucht.
»Ich konnte es nicht ertragen, dass man ihn sozusagen zum Helden machte. Ich
musste seinen Selbstmord vertuschen, dabei wollte ich allen sagen, dass er ein
Feigling war und es mir überlassen hatte, die Trümmer seines Lebens aufzusammeln. Ich wollte sie durchschütteln, damit sie endlich nicht mehr sagten, was
für ein guter Vater er gewesen war. Denn das war er nicht«, ergänzte sie
inbrünstig. »Er war kein guter Vater. Wir waren eine Plage für ihn. Er wollte
immer nur Mama. Uns wollte er nicht.«
    »Es tut mir so Leid«, meinte
James leise und strich über ihre Hand.
    »Es ist ja nicht deine Schuld.«
    Er lächelte, weil er hoffte, auch
ihr ein Lächeln entlocken zu können. »Ich weiß, trotzdem tut es mir Leid.«
    Ihre Lippen bebten. »Ist das nicht
absurd? Man sollte meinen, Liebe sei etwas Schönes, nicht wahr?«
    »Liebe ist etwas Schönes,
Elizabeth.« Und er meinte es so. Mehr, als er es je für möglich gehalten
hätte.
    Sie schüttelte den Kopf. »Meine
Eltern liebten sich zu sehr. Für uns blieb einfach keine Liebe mehr übrig. Und
als Mama nicht mehr da war, konnten wir ihren Platz nicht einnehmen.«
    »Das ist nicht deine Schuld«,
sagte James eindringlich und sah ihr fest in die Augen. »Liebe kennt keine
Grenzen. Wenn im Herzen deines Vaters kein Platz für die ganze Familie
war, bedeutet das, dass er einen Makel hatte, nicht du. Wenn er ein richtiger
Mann gewesen wäre, dann hätte er erkannt, dass seine Kinder die wundervolle
Konsequenz seiner Liebe zu eurer Mutter waren. Und dann hätte er auch die Kraft
gehabt, ohne sie weiterzuleben.«
    Elizabeth ließ seine Worte langsam
in ihr Herz sinken. Sie wusste, dass er Recht hatte, dass ihr Vater schwach
gewesen war und nicht sie. Und doch war es so unsagbar schwer, das zu
akzeptieren. Sie hob den Kopf und merkte, dass James die freundlichsten,
warmherzigsten Augen hatte, die sie je gesehen hatte. »Deine Eltern müssen sich
sehr geliebt haben«, sagte sie sanft.
    James wich überrascht zurück. »Meine
Eltern begann er langsam. »Es war keine Liebesheirat.«
    »Ach nein? Nun, vielleicht war das
sogar besser so. Denn bei meinen Eltern ...«
    »Was dein Vater getan hat, war
falsch, schwach und feige«, unterbrach er sie. »Was mein Vater getan
hat...«
    Elizabeth sah den Schmerz in seinem
Blick und drückte ihm die Hand.
    »Was mein Vater getan hat, sollte
ihm eigentlich auf ewig einen Platz in der Hölle sichern«, stieß er
vehement hervor.
    Elizabeth hatte plötzlich ein ganz
trockenes Gefühl im Mund. »Was meinst du damit?«
    Er schwieg lange Zeit, und als er
endlich zu sprechen anfing, klang seine Stimme merkwürdig fremd. »Ich war sechs
Jahre alt, als meine Mutter starb.« Sie hielt den Atem an. »Sie sagten
mir, sie sei die Treppe hinuntergestürzt und hätte sich dabei das Genick
gebrochen. Was für eine schreckliche Tragödie, meinten sie.«
    »O nein«, entfuhr es ihr leise.
    Er drehte sich abrupt zu ihr um.
»Sie versuchte mir immer einzureden, sie sei ungeschickt und schwerfällig, aber
ich hatte sie tanzen gesehen. Sie summte immer vor sich hin, wenn sie allein im
Musikzimmer Walzer

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