Julia Quinn
Hof«, erklärte
sie rasch.
Mrs Royle warf ihr einen berechnenden Blick
zu.
»Wirklich nicht!«
Mrs Royle drehte sich fragend zu Sarah um, die sich sofort in
ihrem Sessel aufrichtete.
»Ziemlich unwahrscheinlich«, sagte sie, da Mrs Royle ganz offensichtlich
erwartete, dass sie sich dazu äußerte. »Die beiden sind eher wie Bruder und
Schwester.«
»Das stimmt«, bestätigte Honoria. »Er und mein Bruder waren
eng befreundet.«
Im Raum wurde es still, als sie Daniel erwähnte. Honoria war sich
nicht sicher, ob es aus Respekt geschah, aus Verlegenheit oder aus Bedauern
darüber, dass ein so begehrter Junggeselle für die aktuelle Debütantinnenschar
einfach verloren war.
»Nun, dann geben Sie einfach Ihr Bestes«, beschied Mrs Royle sie.
»Mehr können wir nicht verlangen.«
»Oh!«, kreischte Cecily und trat vom Fenster zurück. »Ich
glaube, er ist da!«
Sarah sprang auf und begann hektisch ihre völlig unzerknitterten
Röcke glatt zu streichen. »Sicher?«
»Oh ja.« Cecily seufzte praktisch vor Entzücken. »Ach, was
für eine herrliche Kutsche er fährt.«
Alle erhoben sich erwartungsvoll. Es schien Honoria, als hielte
Mrs Royle sogar den Atem an.
»Da werden wir schön dumm dastehen«, flüsterte Iris ihr ins
Ohr, »wenn er es gar nicht ist.«
Honoria verbiss sich ein Lachen und stieß ihre Cousine mit dem Fuß
an.
Iris grinste nur.
Im Raum war es jetzt so still, dass man deutlich hören konnte, wie
es klopfte, und auch das leise Knarren, als der Butler die Haustür öffnete.
»Stell dich gerade hin«, zischte Mrs
Royle Cecily zu. Und dann, als fiele ihr das eben noch rechtzeitig ein: »Die
anderen auch.«
Doch als der Butler in der Tür erschien, war er allein. »Lord
Chatteris lässt sich entschuldigen«, verkündete er.
Alle sanken in sich zusammen. Sogar Mrs Royle. Es war, als wäre
jede mit einer Nadel angestochen worden und ließe nun die aufgestaute Luft ab.
»Er hat einen Brief abgeben lassen«, fuhr der Butler fort.
Mrs Royle streckte die Hand aus, doch der Butler sagte: »Er ist an Lady Honoria
adressiert.«
Honoria richtete sich auf. Ihr war bewusst, dass alle Augen auf
sie gerichtet waren, und sie gab sich Mühe, sich ihre Erleichterung nicht
anmerken zu lassen. »Ähm, danke«, sagte sie und nahm den Brief entgegen.
»Was schreibt er denn?«, erkundigte sich Sarah, noch bevor
Honoria Zeit gehabt hatte, das Siegel zu brechen.
»Einen Moment«, murmelte sie und trat
ans Fenster, um Marcus' Brief – drei kurze Sätze – in Ruhe zu lesen. »Nichts weiter«,
erklärte sie dann. »Ihm ist etwas dazwischengekommen, deshalb kann er uns heute
Nachmittag leider nicht besuchen.«
»Mehr schreibt er nicht?«, wollte Mrs Royle wissen.
»Lange Erklärungen liegen ihm nicht besonders«, entgegnete
Honoria.
»Mächtige Männer haben es nicht nötig, ihre Handlungsweise zu
erklären«, befand Cecily.
Alle brauchten ein paar Sekunden, um diese theatralische Bemerkung
zu verdauen. »Er wünscht uns alles Gute«, sagte Honoria dann betont
munter.
»Aber nicht so viel Gutes, als dass er uns mit seiner Anwesenheit
beehrt hätte«, murmelte Mrs Royle.
Die Frage, was nun mit der Hausgesellschaft geschehen sollte, hing
unüberhörbar in der Luft. Die jungen Damen beäugten einander. Wer würde sich
einen Ruck geben und sie stellen? Schließlich richteten sich alle Blicke auf
Cecily. Sie musste es tun. Bei jeder anderen wäre es zu vorlaut gewesen.
»Was machen wir nun mit der Gesellschaft in Bricstan?«,
fragte Cecily. Doch ihre Mutter hing ihren eigenen Gedanken nach, mit schmalen
Augen und zusammengepressten Lippen. Cecily räusperte sich und sagte lauter:
»Mutter?«
»Ich halte es immer noch für eine gute Idee«, erklärte Mrs Royle
plötzlich. Ihre Stimme war so laut und entschlossen, dass Honoria den
Widerhall der Silben in den Ohren zu spüren glaubte.
»Dann wollen wir die Studenten immer noch einladen?«, fragte
Cecily.
»Ich hatte an Gregory Bridgerton gedacht«, merkte Sarah
hilfreich an, »und an Neville Berbrooke.«
»Gute Wahl«, sagte Mrs Royle und marschierte wieder zum
Schreibtisch. »Sie stammen beide aus einer guten Familie.« Sie zog mehrere
Blätter cremeweißen Papiers hervor und zählte sie ab. »Ich will die Einladungen
jetzt gleich schreiben«, sagte sie und wandte sich an Honoria. »Außer
einer.«
»Wie bitte?«, fragte Honoria, obwohl sie genau wusste, was
Mrs Royle meinte. Sie wollte es nur nicht akzeptieren.
»Lord Chatteris laden Sie ein. Genau wie wir
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