Julia Quinn
geplant haben. Nicht
für das ganze Wochenende, nur für einen Nachmittag. Samstag oder Sonntag, was
ihm lieber ist.«
»Bist du sicher, dass die Einladung nicht besser von dir
käme?«, fragte Cecily ihre Mutter.
»Nein, es ist besser, wenn sie von Lady Honoria kommt«,
erklärte Mrs Royle. »Es wird ihm schwerer fallen, sie einer so engen Freundin
der Familie auszuschlagen.« Sie hielt Honoria das eine Blatt Papier so
hartnäckig entgegen, dass sie es einfach entgegennehmen musste. »Natürlich sind
wir gute Nachbarn«, fügte Mrs Royle hinzu. »Glauben Sie nicht, dass wir
das nicht wären.«
»Natürlich«, murmelte Honoria. Es gab
nichts, was sie sonst hätte sagen können. Es gab auch nichts, was sie noch
dagegen unternehmen könnte, dachte sie mit betrübtem Blick auf das Blatt Papier
in ihrer Hand. Doch dann wendete sich ihr Glück. Mrs Royle setzte sich an den
Schreibtisch, was bedeutete, dass Honoria auf ihr Zimmer gehen musste, um die
Einladung zu schreiben.
Was wiederum bedeutete, dass niemand außer Honoria – und natürlich
Marcus – wissen würde, was in dem Brief stand. Sie schrieb Folgendes:
Lieber Marcus,
Mrs
Royle hat mich gebeten, Dich dieses Wochenende nach Bricstan einzuladen. Sie
plant eine kleine Hausgesellschaft mit mir und den drei Damen, die ich erwähnt
habe, dazu vier junge Herren von der Universität. Ich bitte Dich, nimm die
Einladung bloß nicht an. Du würdest Dich todelend fühlen, und dann würde ich
mich wegen Deines Elends selbst ganz elend fühlen.
Liebe
Grüße von Deiner
Honoria
Ein anderer Gentleman hätte eine solche Einladung vielleicht als
Herausforderung gesehen und sofort zugesagt. Marcus nicht, dessen war Honoria sich sicher. Er mochte herablassend sein und
übertrieben kritisch, aber niemand konnte ihm nachsagen, er sei boshaft. Und er
würde auch nicht riskieren, sich selbst elend zu fühlen, nur damit ihr
ebenfalls elend war.
Hin und wieder konnte er zwar eine
schreckliche Plage sein, aber im Grunde seines Herzens war Marcus doch ein
guter Mensch. Und so vernünftig. Er musste einfach wissen, dass Mrs Royles
Gesellschaft zu genau der Art von Veranstaltung gehörte, die er nicht ausstehen
konnte. Sie wunderte sich ohnehin schon länger, warum er immer wieder zur
Saison nach London fuhr, wo er sich dort doch so offensichtlich zu Tode
langweilte.
Honoria versiegelte den Brief, trug ihn nach
unten und übergab ihn einem Lakaien, damit er ihn zu Marcus brachte. Die
Antwort, die einige Stunden später eintraf, war an Mrs Royle adressiert.
»Was schreibt er denn?«, erkundigte sich
Cecily atemlos und lief zu ihrer Mutter, als diese sich anschickte, den Brief
zu öffnen. Iris kam auch näher und versuchte, Cecily über die Schulter zu
spähen.
Honoria hielt sich zurück und wartete ab. Sie wusste ja, was darin
stehen würde.
Mrs Royle erbrach das Siegel, faltete den Brief auseinander und
überflog das Geschriebene. »Er lässt sich entschuldigen«, sagte sie
ausdruckslos.
Cecily und Sarah heulten auf vor Enttäuschung. Honoria spürte Mrs
Royles Blick und hoffte, dass ihr der schockierte Blick überzeugend geraten
war. »Ich habe ihn gefragt. Derartige Veranstaltungen sind einfach nicht sein
Fall, glaube ich. Er ist nicht sehr gesellig.«
»Das kann man wohl sagen«, knurrte Mrs Royle ungnädig. »Ich
kann mich nicht erinnern, ihn letzte Saison auf mehr als drei Bällen tanzen
gesehen zu haben. Und das, wo so viele junge Damen keinen Partner hatten.
Direkt rüde war das.«
»Dabei kann er sehr gut tanzen«, sagte
Cecily.
Alle Blicke richteten sich auf sie.
»Es stimmt«, beharrte sie, etwas überrascht, dass sie mit ihrer
Bemerkung so viel Aufmerksamkeit erregt hatte. »Er hat auf dem Ball der
Mottrams mit mir getanzt.« Sie zögerte kurz und fügte dann erklärend
hinzu: »Aus Höflichkeit. Wir sind schließlich Nachbarn.«
Honoria nickte. Marcus tanzte gut. Auf jeden Fall besser als sie.
Sie hatte einfach kein Gefühl für Rhythmus. Immer wieder hatte Sarah versucht,
ihr den Unterschied zwischen Drei- und Viervierteltakt zu erklären, aber das
war vergebliche Liebesmüh.
»Wir werden einfach abwarten«, verkündete Mrs Royle und legte
die Hand aufs Herz. »Zwei der anderen Gentlemen haben die Einladung bereits
angenommen, und von den anderen beiden hören wir bestimmt morgen früh.«
Doch als Honoria sich später verabschiedete, um in ihr Zimmer zu
gehen, nahm ihre Gastgeberin sie beiseite und fragte leise: »Glauben Sie, es
besteht irgendeine
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