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Julia Quinn

Julia Quinn

Titel: Julia Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mit List und Küssen
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angesehen.«
    Sie senkte den Blick. Ihre Hand lag auf seiner. Sie konnte sich
nicht erinnern, sie dort hingelegt zu haben. »Marcus?«, wisperte sie, und
sie wusste selbst nicht, warum es wie eine Frage klang. Aber sie hätte beim
besten Willen kein weiteres Wort herausgebracht.
    »Honoria«, flüsterte er, und dann ...
    »Mylord! Mylord!«
    Honoria zuckte zurück und fiel beinahe aus dem Sessel. Draußen
auf dem Flur wurde es unruhig, eilige Schritte näherten sich. Hastig stand sie
auf und stellte sich hinter den Sessel.
    Einen Augenblick später kamen ihre Mutter und Mrs Wetherby ins
Zimmer gestürmt. »Ein Brief ist gekommen«, sagte Lady Winstead atemlos.
»Von Daniel.«
    Honoria schwankte ein wenig und klammerte sich Halt suchend an
die Sessellehne. Von ihrem Bruder hatten sie zum letzten Mal vor einem Jahr
gehört. Nun ja, vielleicht hatte er Marcus in der Zwischenzeit geschrieben,
aber ihr nicht.
    »Was steht drin?«, fragte Lady Winstead, obwohl Marcus immer
noch dabei war, das Siegel zu erbrechen.
    »Lass ihn doch erst mal aufmachen«, mahnte Honoria. Es lag
ihr schon auf der Zunge zu sagen, dass sie alle das Zimmer verlassen sollten,
damit er den Brief in Ruhe lesen könne, aber dazu konnte sie sich dann doch
nicht durchringen. Daniel war ihr einziger Bruder, und sie vermisste ihn so
schrecklich. Während die Monate verstrichen, ohne dass sie von ihm hörte,
hatte sie sich immer wieder eingeredet, dass er sie nicht absichtlich
vernachlässigte. Bestimmt waren seine Briefe verloren gegangen, der
internationale Postdienst war berüchtigt für seine Unzuverlässigkeit.
    Aber jetzt im Augenblick war es ihr egal, warum sie so lange
nichts von ihm gehört hatte; sie wollte einfach wissen, was in dem Brief an
Marcus stand.
    Und so standen sie alle da und starrten Marcus mit angehaltenem
Atem an. Es war unglaublich unhöflich, aber keiner war bereit, auch nur einen Zollbreit zu weichen.
    »Geht es ihm gut?«, wagte sich ihre Mutter schließlich
hervor, nachdem Marcus die erste Seite gelesen hatte.
    »Ja«, murmelte er und blinzelte, als könnte er nicht glauben,
was er da las. »Er kommt tatsächlich nach Hause.«
    »Was?« Lady Winstead erbleichte, und Honoria eilte an ihre
Seite, für den Fall, dass sie eine Stütze brauchte.
    Marcus räusperte sich. »Er schreibt, er hätte Nachricht von Hugh
Prentice bekommen. Ramsgate hat sich endlich bereit erklärt, die Sache zu
begraben.«
    Angesichts des Ausmaßes der »Sache« würde man dazu wohl
ziemlich viele Schaufeln brauchen, dachte Honoria bei sich. Als sie dem
Marquess of Ramsgate zum letzten Mal begegnet war, hatte er bei ihrem Anblick
beinahe einen Anfall bekommen. Zugegeben, das lag über ein Jahr zurück, aber
trotzdem.
    »Könnte das eine List von Lord Hugh sein?«, gab sie zu bedenken.
»Um Daniel nach England zurückzulocken?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Marcus und sah sich das zweite
Blatt des Briefs an. »So etwas sähe ihm gar nicht ähnlich.«
    »Es sähe ihm nicht ähnlich?«, wiederholte Lady Winstead so
fassungslos, dass ihre Stimme ganz hoch klang. »Er hat das Leben meines Sohnes
ruiniert.«
    »Deswegen war die ganze Angelegenheit ja damals auch so überaus
merkwürdig«, murmelte Marcus, den Blick immer noch auf den Brief
gerichtet. »Hugh Prentice war immer ein guter Mann, vielleicht ein wenig exzentrisch,
aber nicht ehrlos.«
    »Schreibt Daniel, wann er zurückkommt?«, wollte Honoria
wissen.
    Marcus schüttelte den Kopf. »Er hat in Italien noch ein paar Dinge
zu erledigen, und dann will er sich auf die Heimreise machen. Ein bestimmtes
Datum erwähnt er nicht.«
    »Ach, du lieber Himmel«, sagte Lady Winstead und ließ sich in
einen Sessel sinken. »Ich hätte nie gedacht, dass ich das noch erlebe. Ich habe
mir nicht einmal gestattet, daran zu denken. Was natürlich dazu geführt hat,
dass ich an nichts anderes mehr denken konnte.«
    Einen Augenblick lang konnte Honoria ihre Mutter nur anstarren.
Drei Jahre lang hatte sie Daniels Namen nicht einmal ausgesprochen. Und nun
bekannte sie, dass sie ständig an ihn gedacht hatte?
    Sie schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, zornig auf Lady
Winstead zu sein. Was immer sie in den letzten Jahren getan hatte oder wie
immer sie gewesen war, in den letzten paar Tagen hatte sie das alles mehr als
wettgemacht. Honoria war sich ganz sicher, dass Marcus ohne ihre Mutter nicht
mehr am Leben wäre.
    Sie wandte sich wieder den drängenden Fragen der Gegenwart zu.
»Wie lange dauert denn die Reise von

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