Julia Quinn
reden fast so viel, wie wir üben.«
»Das überrascht mich nicht«, murmelte
Marcus.
Sie warf ihm einen Blick zu, der besagte, dass ihr diese kleine
Spitze nicht entgangen war. Aber sie war nicht beleidigt, und das hatte er auch
von vornherein gewusst.
Plötzlich merkte er: Es gefiel ihm, dass er das gewusst hatte. Es
war ein wunderbares Gefühl, jemanden so gut zu kennen.
»Also«, fuhr sie fort, fest entschlossen, das Thema auszudiskutieren,
»Sarah wird dieses Jahr wieder am Klavier sitzen, und sie ist meine beste
Freundin. Wir haben immer sehr viel Spaß miteinander. Und Iris kommt neu am
Cello hinzu. Sie ist fast genau so alt wie ich, und ich habe mir immer
vorgenommen, mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Sie war auch bei den Royles, und
ich ...« Sie hielt inne.
»Was ist denn?«, fragte er. Sie wirkte
beinahe besorgt. Honoria blinzelte. »Ich glaube, sie könnte tatsächlich gut
sein.«
»Am Cello?«
»Ja. Kannst du dir das vorstellen?«
Er beschloss, die Frage als rhetorisch zu
betrachten.
»Jedenfalls wird Iris spielen«, fuhr sie fort, »genau wie
ihre Schwester Daisy, die, wie ich leider sagen muss, einfach furchtbar
ist.«
»Ähm ...« Wie konnte er die Frage höflich formulieren? »Einfach
furchtbar im Vergleich zum Rest der Welt oder furchtbar selbst für eine
Smythe-Smith?«
Honoria sah aus, als unterdrückte sie ein Lächeln. »Furchtbar
selbst für uns.«
»Dann ist es wirklich ernst«, sagte er mit erstaunlich ausdrucksloser
Miene.
»Ich weiß. Ich glaube, die arme Sarah hofft, dass sie im Lauf der
nächsten drei Wochen noch vom Blitz getroffen wird. Sie hat sich gerade erst
vom letzten Jahr erholt.«
»Sie hat wohl nicht gelächelt und gute Miene zum bösen Spiel
gemacht?«
»Warst du denn nicht da?«
»Auf Sarah habe ich nicht geachtet.«
Sie öffnete die Lippen, aber nicht vor
Überraschung, zumindest anfangs nicht. Ihre Augen leuchteten sogar noch vor
Vorfreude auf die wirklich witzige Antwort, die sie auf seine Bemerkung parat
hatte. Aber bevor sie das erste Wort davon hervorbringen konnte, schien ihr
bewusst zu werden, was er da eigentlich gesagt hatte.
Und erst da wurde ihm selbst klar, was er da eigentlich gesagt
hatte.
Langsam legte sie den Kopf schief und sah ihn an, als ob ... als
ob...
Er wusste es nicht. Er wusste nicht, was es zu bedeuten hatte,
aber er hätte schwören können, dass ihre Augen dunkler geworden waren, während
sie ihn so ansah. Dunkler, tiefer, und alles, woran er denken konnte, war, dass
sie in sein Innerstes blicken konnte, bis in sein Herz.
Bis in seine Seele.
»Ich habe dich angesehen«, sagte er, und seine Stimme war so
leise, dass er sie kaum hörte. »Ich habe nur dich angesehen.« Aber das
war, bevor ...
Sie legte die Hand auf seine. Klein sah sie aus, zart und rosig.
Sie sah einfach vollkommen aus.
»Marcus?«, wisperte sie.
Und da wusste er es endlich. Das war, bevor er sich in sie
verliebt hatte.
16. Kapitel
Es ist
erstaunlich, dachte Honoria, aber die Welt hat tatsächlich aufgehört, sich zu
drehen. Da war sie sich ganz sicher. Eine andere Erklärung konnte es nicht
geben für diese Aufregung, dieses Schwindelgefühl, diesen ganz und gar
unglaublichen Augenblick, jetzt und hier, in seinem Zimmer, mit einem Tablett
und einem stibitzten Sirupkuchen und der atemlosen Sehnsucht nach einem
einzigen vollkommenen Kuss.
Sie wandte sich um und neigte den Kopf ein wenig zur Seite, ganz
so, als könnte sie ihn irgendwie klarer sehen, wenn sie nur den Blickwinkel
änderte. Und erstaunlicherweise war es tatsächlich so. Sie bewegte sich, und er
erschien plötzlich viel klarer.
Es war, als hätte sie ihn noch nie zuvor richtig gesehen. Sie
schaute ihm in die Augen und sah dort mehr als Farben und Formen. Sie sah nicht
nur, dass die Iris braun war, die Pupille schwarz. Sie sah ihn darin,
und sie dachte ...
Ich
liebe ihn.
Die Worte hallten
förmlich in ihrem Kopf wider.
Ich
liebe ihn.
Nichts
hätte überwältigender sein können und gleichzeitig einfacher und wahrer. Sie hatte das Gefühl, als wäre irgendetwas
in ihr jahrelang verschoben gewesen und er hätte es nun mit sechs unschuldigen Worten
– Auf Sarah habe ich nicht geachtet! – gerade gerückt.
Sie liebte ihn. Sie würde ihn immer lieben. Es war so einleuchtend.
Wen könnte sie denn sonst lieben, wenn nicht Marcus Holroyd?
»Ich habe dich angesehen«, sagte er, so
leise, dass sie gar nicht sicher sein konnte, ob sie es wirklich gehört hatte. »Ich habe nur
dich
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