Julia Saison Band 05
Lüge. Sabrina deutete zum anderen Ende des Gangs, wo man fröhliche Laute hören konnte. „Willst du nicht mitkommen und dir ihr Zimmer ansehen? Ich will dort noch ein Foto von dir machen und es als Poster drucken lassen, damit die Mädchen das Gefühl haben, dass du gar nicht so weit weg bist.“
Cass zog die Nase kraus. „Mist – ich hatte mir gewünscht, dass er dich inzwischen wenigstens schon einmal geküsst hat. Du musst ihn wirklich in einen tiefen Gewissenskonflikt gestürzt haben.“
Für Sabrina war das Ganze nicht einfacher. Aber was sie davor bewahrte, die Nerven zu verlieren, war eine absolute Gewissheit: Wenn sie sich wie die anderen Frauen benahm, die Collin kannte – und auf ihn flog wie die sprichwörtliche Motte aufs Licht –, dann würde von ihr nur Asche übrig bleiben.
Eine Stunde später beobachte Collin den schwierigen Abschied der Mädchen von Cass. Nachdem sie Sabrina wie eine Schwester umarmt hatte, ging sie schließlich auf ihn zu, der neben dem Aufzug wartete. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und drängte sie, sich an ihn zu lehnen. Auch wenn ihm dabei die Augen brannten und es ihm die Kehle zuschnürte.
Erst als sich die Aufzugtüren schlossen, murmelte er Cassie zu: „Wenn du irgendetwas Dummes und Tapferes anstellst und verletzt wirst, werde ich dir nie verzeihen.“
„Da zittere ich ja wie Espenlaub.“
„Das solltest du auch, verdammt noch mal.“
Cassidy musterte ihn. „Ich weiß, dass du gut für meine Kleinen sorgen wirst. Aber ich hoffe, du passt auch gut auf dich auf.“ Sie legte ihm die Hand aufs Herz.
„Ich bemühe mich.“
„Siehst du, genau diese Bemerkung macht mir Sorgen. Ich habe dich lieb, Bruderherz.“
„Ich dich auch, Captain.“
Als er in die Wohnung zurückkam, überkam ihn ein so starkes Gefühl der Schwäche und des Verlustes, dass er sich mit dem Rücken an die Tür lehnen musste, um auf den Füßen zu bleiben.
„Collin?“ Sorge schimmerte in Sabrinas Augen. Und dann tat sie genau das, was Cass getan hatte. Sie legte ihm die flache Hand aufs Herz, bis er sich verspannte und scharf den Atem einsog.
Er konnte diese starken Gefühle nicht ertragen. Jemanden zu brauchen. Er fühlte sich entblößt. Wochenlang hatte er sich jetzt strengstens ermahnt, sich ja zu benehmen. Aber jetzt zog er sie heftig an sich und verbarg sein Gesicht in ihrem seidigen, duftenden Haar.
Sabrina streichelte sanft über seinen schlanken, verspannten Rücken. „Es wird alles gut“, flüsterte sie.
„Das kannst du nicht wissen.“
„Das ist einfach so ein Gefühl. Von innerem Frieden.“
„Frieden.“ Er atmete zitternd aus. „Ich weiß nicht mehr, was das bedeutet. Ich weiß nicht, ob ich das jemals getan habe.“ Dann schluckte er schwer. „Vielen Dank, dass du hier bist … Allein könnte ich das nicht …“
„Schhh.“ Sie streichelte ihm über das Gesicht und hauchte ihm dann einen Kuss auf die Wange. „Das musst du ja auch nicht.“
Er folgte der Liebkosung, bis er ihre Lippen mit seinen berührte. „Oh doch, das muss ich“, flüsterte er mit rauer Stimme und küsste sie federleicht auf die Unterlippe. „Das kann ich“, murmelte er, als er die zärtliche Geste erst an ihrem rechten, dann an ihrem linken Mundwinkel wiederholte. Dann umrahmte er ihr Gesicht mit beiden Händen und sah ihr tief in die Augen, ehe er sich wieder auf ihre Lippen konzentrierte. „Oh ja.“
Dann küsste er sie. Zärtlich und vorsichtig. Als sie sich ihm öffnete, seufzte er vor Erleichterung.
„Bina … ich muss mal.“
Sabrina wich zurück und rief: „Ich bin gleich da.“ Dann musterte sie Collin und fragte leise: „Alles in Ordnung?“
Er konnte nur nicken. Dann war sie weg, um Gena zu helfen. Was war da gerade passiert? fragte er sich. Er fühlte sich, als ob er gerade geträumt hatte.
„Ich weiß nicht, ob je wieder alles in Ordnung sein wird“, sagte er schließlich zu dem leeren Zimmer.
Als er sich endlich wieder halbwegs unter Kontrolle hatte, war aus dem Zimmer der Mädchen lautstarkes Gekicher und Geplapper zu hören. Sabrina versuchte – und schaffte das auch –, die beiden von der Abreise ihrer Mutter abzulenken. Wenigstens zeitweise.
Von der Tür zum Kinderzimmer aus sah er, dass sie angefangen hatten auszupacken. Puppen und Stofftiere lagen überall verstreut. Kleidungsstücke wurden aufgeräumt. Dafür war allerdings anscheinend eine Modenschau nötig.
„Das sind meine Lieblingsschuhe“, lispelte Gena und drückte auf
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