Julia Saison Band 05
gut jetzt gleich hinter sich bringen.
„Collin, bitte. Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie man dich hat glauben machen. Was du neulich über deine Eltern gesagt hast …“
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, warte. Was ist, wenn sie nicht freiwillig mitgegangen ist? Was ist, wenn deine Mutter Schluss machen wollte, und er gedroht hat, dich diesmal für immer mitzunehmen?“
Collin fuhr sich mit den Händen durchs Haar. „Weil es eben nicht so war. Sie war ihm völlig verfallen. Und ich hoffe, sie haben beide bekommen, was sie verdient haben. Ich hoffe …“
„Collin!“
Sie musste ihn nicht nur daran erinnern, dass er die Stimme erhoben hatte. Er war auch drauf und dran, etwas zu sagen, dass er nie wieder zurücknehmen konnte. Also wandte er sich ab, um wegzugehen. Er schaffte es nicht, ihr in die Augen zu sehen.
„Bitte …“
Er blieb stehen, aber er drehte sich nicht um.
„Bitte, geh jetzt nicht weg, so wie neulich. Meinetwegen schließ dich in deinem Zimmer ein, wenn es sein muss. Aber mach mich nicht wahnsinnig vor Sorge, weil du dich draußen auf den Straßen herumtreibst oder dich ans Steuer setzt.“
„Na schön.“
Weil sie wusste, dass sie sowieso nicht schlafen konnte, bis sie von Susie gehört hatte, ließ Sabrina sich mit dem Geschirr Zeit. Als sie schließlich aus der Küche kam, war es Mitternacht. Jetzt war ganz offiziell Weihnachten, und sie hatte immer noch keinen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen. Sie zog ihren schwarzen Veloursschlafanzug an. Statt ins Bett zu gehen, würde sie sich aufs Sofa setzen, in eine Decke kuscheln und warten. Aber als sie zurück ins Wohnzimmer kam, fiel ihr ein, dass sie die Geschenke noch nicht aus Collins begehbarem Kleiderschrank geholt und unter dem Baum verteilt hatte. Sie wollte ihn nicht stören. Aber bis zum Morgen zu warten, war viel zu riskant. Die Mädchen könnten sie hören und angerannt kommen.
Vor der immer noch geöffneten Tür blieb sie stehen. Sie sah, dass er mit dem Rücken zu ihr auf dem Bett lag. Er hatte seinen Anzug ausgezogen und trug jetzt Jeans – und sonst nichts. Auf Zehenspitzen schlich sie barfuß zum Schrank und erinnerte sich leider zu spät daran, dass im Inneren automatisch das Licht anging, wenn man die Tür öffnete.
Collin drehte sich um.
„Tut mir leid. Schlaf weiter“, sagte sie. „Es geht nur um die Geschenke. Ich muss sie unter den Baum legen.“
Er stand auf. „Ich habe nicht geschlafen.“
„Oh.“
„Ich habe darauf gewartet, dass du ins Bett gehst. Dann hätte ich mich darum gekümmert.“
Dann machten sie sich schweigend gemeinsam an die Arbeit. Als nur noch zwei Geschenke übrig waren, meinte Sabrina: „Wenn du die beiden hier übernimmst, fülle ich die Weihnachtssocken und gehe ins Bett.“ Es wäre eine Erlösung, nicht mehr seinen unbekleideten Oberkörper sehen zu müssen und die schmale Linie seiner Brusthaare, die seine flachen Bauchmuskeln betonte und unter dem Bund seiner nicht ganz zugeknöpften Jeans verschwand.
„Ich habe gar nicht gehört, dass das Telefon geklingelt hat.“
„Hat es auch nicht.“
„Das ist nicht gut, oder?“
Nein, das war es nicht. Schließlich war es Stunden her, seit Susies Fruchtblase geplatzt war. Aber Sabrina bemühte sich, optimistisch zu bleiben. „Das erste Kind braucht eben seine Zeit.“
Er stand ihr gegenüber, auf der anderen Seite des Couchtischs, und sagte nichts. Also murmelte sie: „Gute Nacht.“
Als sie gerade ins Bett gehen wollte, klingelte das Telefon. „Hallo?“
„Sabrina, es tut mir leid, dass ich noch so spät anrufe.“
„Dempsey“, flüsterte sie. „Kein Problem. Wie geht es dir? Wie geht es Susie?“
„Gut. Jetzt jedenfalls. Es gab ein paar Komplikationen. Aber jetzt ist das Schlimmste überstanden. Sam schafft das.“
„Sam?“
„Sabrina, wir haben einen Sohn bekommen.“
Als Sabrina aufgelegt hatte, war sie so überwältigt, dass ihr die Knie weich wurden.
Die Mädchen hatten die ganze Zeit recht gehabt. Sie konnte einfach nicht begreifen, wie die beiden das hatten wissen können.
Ehrfurchtsvoll schaute sie die dunkle Weihnachtskrippe an. Ein Sohn. Leise musste sie lachen. Dann verwandelte sich ihr Lachen in Tränen, als Erleichterung und Dankbarkeit der Erschöpfung wichen.
„Sabrina?“ Collin kniete neben ihr, bevor sie wusste, was geschah. „Was ist los? Ich habe das Telefon gehört.“
„Es ist tatsächlich ein Junge.“
Sein Gesichtsausdruck spiegelte den Schock wider, den sie ebenfalls
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