Julia Saison Band 05
Headhunterin melden, die Kontakte zu allen renommierten Unis der Ostküste hat, damit ich einen heiß begehrten, prestigeträchtigen Job bekomme?“
Was immer er nun sagte, es konnte nur falsch sein. Also sagte er einfach, was er wirklich dachte.
„Ich möchte, dass du glücklich bist, Ashley. Und im Moment wirkst du nicht gerade so. Wenn also das hier“, er wedelte mit der Visitenkarte, „das ist, was du tun willst, dann …“
Abwehrend hob Ashley die Hände, wandte sich von ihm ab und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
„Was weiß denn ich! Jetzt bin ich dreißig und habe das Gefühl, mein halbes Leben ist schon vorbei. Ich kenne nichts anderes als Arbeit, Arbeit, Arbeit! Ich weiß ja schon gar nicht mehr, wie man Spaß hat oder sich entspannt. Und bis jetzt hat mich das auch nie gestört – wahrscheinlich, weil ich immer zu beschäftigt war, um überhaupt mal richtig nachzudenken. Aber jetzt auf einmal reicht mir das nicht mehr – jedenfalls macht mich der Gedanke an einen Job in Yale nicht glücklich.“
„Aber das ist das Wichtigste überhaupt“, sagte er zärtlich. Als sie an ihm vorbeikam, griff er nach ihrer Hand.
Unglücklich schaute sie zu ihm, ehe er sie an sich zog. „Aber wenn ich mich nicht anstrenge und an meiner Karriere arbeite, dann enttäusche ich alle!“, seufzte sie. „Meine Mentorin, meine Eltern, sogar dich!“
Sie machte sich los und nahm ihren Marsch durchs Zimmer wieder auf.
„Hey, mich lass da bitte raus! Ich freue mich doch, dass du dich endlich fragst, ob Arbeit im Leben alles ist.“
Herausfordernd funkelte sie ihn an. „Du würdest mich trotzdem lieben? Auch wenn ich keine große Karriere mache?“
Er nickte zustimmend. „Ich liebe dich – egal, was du tust. Selbst, wenn du gar nichts tust.“
Aufbrausend warf sie den Kopf in den Nacken. „Lügner!“
„Was?“, fragte er verblüfft.
Mit großen Schritten kam sie auf ihn zu und blieb dann schwer atmend vor ihm stehen. „Lügner!“, wiederholte sie. „Das sagst du bloß so. Du hast sehr wohl eine Meinung dazu, was ich mit meinem Leben anfangen soll, du willst es mir nur nicht sagen …“
In ihrer Wut sah sie einfach bezaubernd aus. Cal nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust. „… weil ich kein Recht habe, mich in deine Entscheidungen einzumischen.“
Kühl blickte sie ihn an. „Also lässt du mich einfach erraten, was dir am liebsten wäre?“
Nun wusste er auch nicht weiter. Stirnrunzelnd ließ er sie los. „Ich kann dir nicht sagen, was du tun sollst“, erklärte er müde.
„Und warum nicht?“
Er atmete tief ein und sagte dann leise: „Weil dann all die Leute recht hätten, die mir vorgeworfen haben, wie egozentrisch und selbstsüchtig ich bin.“
Ashley konnte kaum glauben, was sie da hörte. „Wer denkt denn so was über dich? Du bist der einfühlsamste, wunderbarste und großzügigste Mann, den ich kenne!“
Seine grauen Augen verdüsterten sich. „Vielleicht jetzt, aber man kann die Vergangenheit leider nicht ungeschehen machen.“
„Was meinst du denn damit?“, fragte sie mit sanfter Stimme.
Zunächst schwieg er, als wolle er sich vor seiner Frau keine Blöße geben. Sie versuchte ihn mit einem eindringlichen Blick daran zu erinnern, dass genau das der Grund war, warum sie hier zusammenlebten, warum sie Enthaltsamkeit übten und alle Dinge auf den Tisch brachten: damit sie sich wirklich kennenlernen konnten, und zwar mit all ihren Schwächen.
„Es fing an, nachdem mein Dad gestorben war“, sagte Cal schließlich. Er ging zur Fensterbank in der Küche, wo eine halb vertrocknete Basilikumpflanze stand, von der er die braunen Blätter abzupfte.
„Erzähl weiter“, ermunterte sie ihn.
„Es war eine sehr schwere Zeit für uns alle. Es geschah ohne Vorwarnung. Mein Vater war ganz normal zu einer Geschäftsreise aufgebrochen, und am nächsten Tag erhielten wir einen Anruf, dass das Firmenflugzeug abgestürzt war und es keine Überlebenden gab. Meine Mutter, die sonst immer so stark gewesen war, brach völlig zusammen. Sie hatte sechs Kinder im Alter von sechs bis sechzehn, und der Mann, mit dem sie alt werden wollte, war einfach so gestorben. Sie konnte absolut nicht mehr.“
Ashley nickte mitfühlend.
„Wir haben irgendwie versucht zu überleben“, fuhr Cal fort. „Als ältester Sohn übernahm Mac die Rolle des Familienoberhaupts. Meine Mutter kümmerte sich darum, die Angelegenheiten meines Vaters zu regeln. Das war nicht einfach, weil er kein Testament
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