Julia Saison Band 11
Überlegung hatte Margaret letztes Jahr die Beziehung zu ihrem Verlobten gelöst und die Entscheidung nicht bereut. Na gut, vielleicht ein paar Mal in dunklen, einsamen Nächten, wenn sie sich an ihre schöne gemeinsame Zeit erinnerte und befürchtete, dass sie einfach zu viel erwartete. Schließlich hatten sie sich gut verstanden und Spaß miteinander gehabt. Muss man wirklich verliebt sein? fragte sie sich.
Vor ein paar Wochen war sie ihm und seiner neuen Freundin begegnet. Die Art, wie die beiden sich angesehen hatten, sagte ihr, dass es richtig gewesen war, die Hochzeit abzusagen. Nicht nur ihretwegen, sondern auch um seinetwillen. Jeder verdiente es, so leidenschaftlich geliebt zu werden.
„Dad und ich sind immer angeln gegangen“, erzählte Charlie, während er das Aquarium musterte. „Manchmal ist Mommy auch mitgekommen, aber dann musste Daddy für sie den Wurm an den Haken machen.“
„Das war aber nett von ihm“, sagte Lexi.
Dass Lexi Charlies Fall betreute, gab Margaret ein beinahe vertrautes Gefühl. Als sich die attraktive Sozialarbeiterin vorgestellt hatte, erwähnte sie, dass sie mit Margarets älterem Bruder Travis, dem örtlichen Frauenarzt und Geburtshelfer, befreundet sei.
„Kennst du das Testament?“, fragte Lexi leise.
Margaret schüttelte den Kopf. „Aber ich kann mir denken, was drinsteht.“
Als Ryan sie auf der Beerdigung gebeten hatte, zur Testamentseröffnung in sein Büro zu kommen, war sie nicht überrascht gewesen. Als im vergangenen Jahr einer ihrer ehemaligen Klassenkameraden an Krebs gestorben war, hatte Joy mit ihr darüber gesprochen, dass Margaret Charlie aufziehen sollte, falls ihr und Ty etwas zustieß. Sie war geschmeichelt gewesen, wunderte sich aber, warum ihre Freundin nicht in ihren Familien fragte.
Joy hatte ihr erzählt, dass sie bereits mit ihren Eltern darüber gesprochen hätte. Anscheinend hatten sie herumgestottert und Ausflüchte gesucht. Bei Ty sah es auch nicht besser aus. Seine Familie hatte für den Gedenkgottesdienst nur einen kleinen Kranz geschickt.
„Charlie, drück nicht so fest gegen das Glas“, ermahnte Lexi den Jungen.
Lächelnd stand Margaret auf und ging durch den Raum zu Charlie. Ihre Absätze klackten laut auf dem Hartholzboden. Normalerweise bevorzugte sie bequemere Kleidung als das silberblaue Kostüm und vernünftigere Schuhe als High Heels. Zu dieser Gelegenheit jedoch war ihr elegant und geschäftsmäßig angemessener erschienen als ein gemütliches Outfit.
Sie ging neben dem Jungen in die Hocke, der seine Nase am Aquarium platt drückte. „Welcher gefällt dir am besten?“
„Der Gelbe.“ Charlie zeigte auf einen großen Skalar mit goldenen Schuppen am Kopf und auf dem Rücken.
„Er ist sehr schön.“ Margaret widerstand der Versuchung, ihm seine schokoladenbraunen Haare aus dem Gesicht zu streichen. „Erinnerst du dich an mich, Charlie? Ich bin Margaret, ich war mit deiner Mom befreundet.“
Der Junge drehte sich zu ihr um und sah sie mit seinen dunkelblauen Augen an. „Der Pfarrer hat gesagt, meine Mommy und mein Daddy sind jetzt bei Gott im Himmel.“
Margaret holte tief Luft und blinzelte ihre Tränen weg. Die Worte auf der Beerdigung waren tröstend gewesen, aber es fiel ihr noch immer schwer zu akzeptieren, dass ihre beste Freundin nicht mehr da war. Es brach ihr das Herz, wenn sie daran dachte, dass sie und Joy nie wieder am Telefon miteinander lachen oder sich witzige Zeilen twittern würden.
Trotzdem glaubte sie dem Pfarrer, dass Joy und Ty an einem besseren Ort waren. Ihre Freundin hatte so einen skurrilen Sinn für Humor, dass sie jetzt bestimmt den Himmel aufmischte, während Ty sie anfeuerte.
„Meinst du, sie kommen für mich zurück?“, fragte er leise.
„Leider nein“, antwortete Margaret sanft. Sie verfluchte ihre Ehrlichkeit, als ihm Tränen in die Augen stiegen und seine Unterlippe zu zittern begann. „Aber ich weiß, dass sie trotzdem auf dich aufpassen und dich sehr, sehr lieb haben.“
„Ich will meine Mommy.“ Der kleine Junge ballte seine Hände zu Fäusten. „Bring sie her!“
Es schnürte ihr den Hals zu. Wenn ich sie und Ty doch nur zurückholen könnte.
So schnell wie er gekommen war, verschwand Charlies Zorn, und der Junge begann zu weinen.
Fest nahm ihn Margaret in den Arm und murmelte ihm beruhigende Worte zu. Nach einer Weile entspannte er sich in ihren Armen.
Aus eigener Erfahrung wusste sie, was er in den nächsten Wochen und Monaten durchmachen würde, und schwor
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