Julia Saison Band 17
gewesen.
Sie beobachtete ihn, wie er neben ihr schlief. Normalerweise wirkten seine Züge hart und angespannt, als müsste er immer wachsam sein.
Aber jetzt sah er friedlich aus. Annette ließ die Fingerspitzen über den Bartschatten auf seiner Wange gleiten. Dann zeichnete sie seine Kinnlinie nach und dachte an all die einzelnen Schritte, die Jared hierhergebracht hatten. Zu ihr und zu seiner Gran.
Plötzlich fiel ihr etwas Wichtiges ein. Gran war seine Großmutter mütterlicherseits.
Aufgeregt strich Annette sein dunkles Haar zurück. „Jared?“
Mit einem schläfrigen Seufzer drückte er sie an sich.
„Wach auf“, flüsterte sie.
Rasch setzte er sich auf. „Ist alles okay?“
„Ja, dem Baby und mir geht’s gut.“ Sie setzte sich ebenfalls auf. „Mir ist bloß grade etwas eingefallen.“
Fragend sah er sie an.
„Vorgestern hast du mir doch von dem Privatdetektiv erzählt, der deine Verwandten gesucht und schließlich deine Gran gefunden hat.“
„Ja, und?“
„Gran ist die Mutter deiner leiblichen Mutter. Das heißt, du weißt also, wer deine Urgroßmutter gewesen ist. Sie war doch wahrscheinlich die Frau, von der Tony in seinem Tagebuch schreibt. Unglaublich, dass ich nicht längst darauf gekommen bin.“
Jared machte ein schuldbewusstes Gesicht. „Ich hatte auch so eine Vermutung.“
„Wieso hast du mir nichts gesagt?“
„Ohne genaue Informationen von meiner Gran wollte ich keine voreiligen Schlüsse ziehen. Und sie erzählt mir nichts.“
„Du hast mir nicht vertraut“, entgegnete Annette.
„Das kommt mit der Zeit, Annie.“
„Aber langsam“, erklärte sie enttäuscht. „Ziemlich langsam.“
Er warf ihr einen düsteren Blick zu, legte ihr dann jedoch die Hand auf den Arm. „Wenn du willst, erzähle ich dir alles.“ Er ließ die Hand sinken. „Als ich Gran kennengelernt habe, hat sie mir von unserer Familie erzählt. Eine ihrer Geschichten handelte von meiner Urgroßmutter Tessa Hadenfield. Sie war die Tochter des ersten Sheriffs in St. Valentine und der ganze Stolz ihres Vaters. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter war sie alles, was er noch hatte.“
„Wann ist sie Tony begegnet?“, fragte Annette.
„Keine Ahnung. Ich habe mehrfach versucht, das Thema bei Gran anzusprechen, aber sie behauptet, es hätte nichts mit unserer Familie zu tun.“
„Das ist garantiert geschwindelt“, gab Annette zurück. „Du siehst genau wie Tony aus, und wir wissen, dass Tessa deine Urgroßmutter war. Wenn man eins und eins zusammenzählt, kommst du dabei heraus.“
„Nach den Aussagen des Tagebuchs kann man davon ausgehen, dass Tessa vor ihrer Hochzeit mit meinem Urgroßvater Joseph mit Tony zusammen gewesen ist.“ Jared zog die Knie an und stützte die Arme darauf. „Ich nehme also an, sie hat Joseph ihr Kind untergeschoben. Es sei denn, Joseph wusste Bescheid. Laut der Zeitungsartikel von Davis und Violet Jackson haben Tessa und er kurz nach Tonys Tod geheiratet.“
„Das heißt, falls Tessa wirklich ein Kind von Tony erwartet hat …“
„… dann wäre dieses Kind mein Großvater gewesen, Grans Ehemann Richard.“
„Aber er ist gestorben, bevor du ihn kennenlernen konntest. Hast du Fotos von ihm gesehen?“, fragte Annette.
„Ja, aber mein Großvater ähnelte Tessa, nicht Tony. Ich habe dir ja gesagt, dass meine leibliche Mutter mir auch nicht besonders ähnlich sieht. Anscheinend haben diese Merkmale zwei Generationen übersprungen.“
„Dann hat Tessa Glück gehabt, dass ihr Sohn nicht aussah wie Tony. Das hat ihr ein paar Erklärungen erspart.“
„Bis ich irgendwann aufgetaucht bin.“
„Na ja, das macht ihr ja nun nichts mehr aus.“ Warum war es Jared nur so schwergefallen, ihr von der Sache zu erzählen?
Forschend musterte er sie. „Fühlst du dich jetzt besser?“
Sie nickte, obwohl das Thema Vertrauen ihr noch immer auf der Seele lag. Würde sie jemals alles über Jared erfahren? Oder würde er sich ihr gegenüber immer nur stückchenweise offenbaren und Informationen so lange zurückhalten, bis ihm keine andere Wahl mehr blieb?
Jared stand auf und ging in den Flur.
Seufzend nahm Annette ihr Handy, um nach SMS-Nachrichten zu schauen. Sie fand eine kurze, aber liebenswürdige Einladung von Violet Jackson zu Rita Niles’ Babyparty vor. Annette lächelte.
Als Jared zurückkam, legte sie das Handy beiseite. Er hatte Tonys Tagebuch an einer bestimmten Stelle aufgeschlagen.
„Ich will nicht, dass du dein Vertrauen in mich verlierst, Annie.“
Damit
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