Julia Saison Band 17
verlegen.
„Dann lernst du es heute“, entgegnete er leichthin und nahm sie in die Arme. Er führte sie langsam und behutsam und achtete darauf, sie nicht zu nah an sich zu ziehen.
Es war genau wie bei dem Kuss in der Kapelle. Sie tanzte, wenn auch etwas steif, und war ein wenig verlegen. Doch irgendwie fühlte es sich richtig an. Sogar sehr gut, wenn sie ehrlich war. Genau so sollte es auf einer Hochzeit sein: Braut und Bräutigam tanzten miteinander und sahen sich tief in die Augen.
Nach einer Weile schloss sie die Augen und gab sich ganz dem Gefühl der Geborgenheit in seinen Armen hin. Sie waren so versunken in ihren Tanz, dass sie gar nicht bemerkten, wie das Lied zu Ende ging und ein neues begann.
„Na, was habe ich dir gesagt? Du bist eine großartige Tänzerin“, flüsterte Caleb.
„Nicht großartig“, widersprach sie. „Aber zumindest ich trete nicht auf deine Füße. Warum macht ihr Amerikaner das eigentlich immer?“
„Was?“
„Ihr seid immer so enthusiastisch. Alles ist großartig oder unglaublich oder wundervoll bei euch.“
Er zuckte die Achseln. „Stimmt. Aber es ist die passende Beschreibung für dich: großartig, unglaublich und wundervoll.“
Natürlich wusste Irina, dass diese Schmeichelei Calebs Masche bei Frauen war. Trotzdem genoss sie es, diese netten Dinge zu hören. Wieder schloss sie die Augen und tanzte weiter mit ihm.
Später, als Caleb mit seiner Halbschwester Elena tanzte, trat Davis Bravo neben Irina. Ein wenig ängstlich sah sie Calebs Vater an, der wie immer sehr elegant war. Würde er nun doch noch seine Missbilligung zeigen?
Nein, er beugte sich nur zu ihr und lächelte sie wohlwollend an. „Ich hatte mich schon gefragt, ob Caleb wohl jemals eine Familie gründen würde, und ich freue mich sehr, dass es jetzt endlich so weit ist. Ganz bestimmt werdet ihr zwei sehr glücklich miteinander.“
Irina rief sich ins Gedächtnis, dass Schuldgefühle ein Luxus waren, den sie sich nicht leisten konnte. Sie würde Caleb eine gute Ehefrau sein – auch wenn es nur für einen begrenzten Zeitraum war.
„Vielen Dank, Davis“, sagte sie. „Sie sind sehr nett. Ich werde tun, was ich kann, um Ihren Sohn glücklich zu machen.“
„Ja, ich weiß, dass du das tun wirst. Und bitte sag ‚Du‘ zu mir.“ In diesem Augenblick trat Aleta zu ihnen und hakte sich bei ihrem Mann unter.
„Du siehst wunderschön aus, Irina. Caleb kann sich wirklich glücklich schätzen, dich bekommen zu haben.“
Irina antwortete, was von ihr erwartet wurde. Dass sie froh war, so nett in die Familie der Bravos aufgenommen worden zu sein, und dass dies der schönste Tag ihres Lebens war.
Die Party dauerte bis kurz vor Mitternacht, und alle amüsierten sich prächtig bei Champagner und Tanzmusik. Zum Schluss warf Irina, wie es der Brauch verlangte, ihren Brautstrauß über die Schulter. Erwartungsgemäß fing Elena ihn auf, denn sie war die einzige unverheiratete Frau im Raum. Danach zogen sich alle in ihre Zimmer zurück, die entweder ebenfalls im High Sierra Hotel oder auf der anderen Straßenseite im Impresario waren. Gemeinsam mit Victor und Maddy Liz fuhren Irina und Caleb mit dem Fahrstuhl nach oben in ihre Suite.
Die Wände des Fahrstuhls waren verspiegelt, und Irina konnte kaum glauben, dass es wirklich sie selbst war, die dort im eleganten weißen Kleid neben Caleb stand, der nicht mehr ihr Chef, sondern seit heute ihr Ehemann war.
Victor sagte etwas auf Argovisch zu ihr. Irina errötete und nickte, bevor sie ihm dankte.
„Was habt ihr gesagt?“, fragten Caleb und Maddy Liz gleichzeitig.
Victor übersetzte: „Möge das Ehebett euch Freude bringen und mögen eure Kinder zahlreich sein.“
„Oh, alles klar“, sagte Caleb grinsend.
Die schöne Maddy Liz, die ihren großen, heißblütigen Balkan-Ehemann über alles liebte, kicherte. „Du weißt ja, wie sehr es mich anmacht, wenn du Argovisch sprichst.“ Sie streckte ihre Hand nach Victor aus und zog ihn ungestüm an sich, um ihn zu küssen.
Irina beneidete die beiden um ihre Liebe und die unverhohlene Leidenschaft, die sie verband. Sie schienen so jung und unbekümmert zu sein. Sie selbst, obwohl erst vierundzwanzig, fühlte sich manchmal wie eine alte Frau, die schon viel zu viel von der Welt und ihren Grausamkeiten gesehen hatte.
Sanft berührte Caleb ihre Schulter. „Das ist unsere Etage. Gute Nacht, ihr zwei.“
„Herzlichen Glückwunsch noch einmal“, rief Maddy Liz, als die Fahrstuhltür sich hinter ihnen
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