Julia Sommerliebe 0020
und schilderte, wie sie ihrer großen Liebe hier begegnet war. Dann stand Nonna Maria mit Sebs Hilfe auf und öffnete die Urne. Die Meeresbrise trug die Asche aufs Wasser hinaus.
„Ich möchte auch herkommen, wenn es einmal so weit ist“, sagte Maria. Ihre Wangen waren tränenfeucht, doch ihre Stimme klang entschlossen. „Bitte versprich mir das, Gina.“
„Versprochen“, flüsterte Gina und wandte sich dann schnell ab, um die Tränen zu verbergen. Es war schmerzlich genug, von ihrem Großvater Abschied zu nehmen. Der Gedanke, dass sie auch ihre Großmutter eines Tages verlieren würde, war ihr unerträglich.
Als Seb ihr den Arm um die Schultern legte und sie seine tröstliche Wärme spürte, lehnte Gina sich an ihn. Sie war froh, dass er nicht versuchte, sie mit den üblichen Floskeln zu beruhigen. Seb verstand sie, ohne zu sprechen.
Der Wind nahm zu, die See wurde unruhig und die Luft stickig – es war Zeit, in den Hafen zurückzukehren. Verstohlen warf Gina ihrer Großmutter einen Blick zu. Die alte Dame wirkte erschöpft und blass, strahlte jedoch eine friedliche Gelassenheit aus, die Gina eindeutig bewies: Sie hatten das Richtige getan.
Nachdem sie im Hafen angekommen und ausgestiegen waren, schüttelte Gina Paolo die Hand. „Vielen Dank, dass Sie mir und meiner Großmutter so geholfen haben.“
„Es war mir eine Ehre, signorina. Außerdem steht meine Familie nach allem, was Seb für unsere Tochter getan hat, tief in seiner Schuld“, erwiderte Paolo zu ihrer Überraschung.
„Paolo“, sagte Seb warnend, und der andere Mann verstummte.
Als sie wieder in der Villa waren, folgte Gina Seb in die Küche. „Vielen Dank für alles, was du heute für uns getan hast.“
„Ich hatte es doch versprochen“, erwiderte er schlicht. „Und es war sehr wichtig für Maria.“
Gina schwieg einen Moment und dachte an all das, was in den vergangenen Tagen passiert war. „Ich würde den Linardis so gern für ihre Hilfe und ihre Gastfreundschaft danken.“
Jetzt wirkte Seb seltsam befangen. „Für die Linardis ist das alles selbstverständlich“, erwiderte er ausweichend.
Plötzlich fiel Gina wieder ein, was Paolo zu ihr gesagt hatte. „Was hast du eigentlich für Paolos Tochter getan?“, wollte sie wissen.
Seb verschränkte die Arme vor der Brust. „Nichts, Gina“, sagte er abwehrend und wandte ihr den Rücken zu, um frisch gepressten Fruchtsaft aus dem Kühlschrank zu nehmen.
„Paolo schien da aber anderer Meinung zu sein“, entgegnete sie fest.
Seb schenkte Saft in zwei Gläser und schob eins über den Tresen zu ihr hinüber. „Seine Tochter hatte einen Unfall, und ich war einfach zur rechten Zeit am richtigen Ort. Das war alles.“
Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass das Thema damit für ihn beendet war. Das schmerzte Gina. Sie sah es ihm doch an: Irgendetwas belastete ihn, über das er allerdings nicht mit ihr reden wollte. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie wenig sie trotz allem nur über ihn wusste.
Bevor Gina weitere Fragen stellen konnte, kam ihre Großmutter zu ihnen in die Küche.
Nachmittags brach das angekündigte Gewitter los: Regengüsse, Donner, Blitze, die über den schwarzen Himmel zuckten. Draußen tobte ein heftiger Sturm, der Bäume zu entwurzeln drohte. Nach wenigen Stunden war es jedoch schon vorbei. Die Luft schien frisch und gereinigt zu sein, und von der warmen Erde stieg Dampf auf.
Nachdem Gina ihrer Großmutter eine gute Nacht gewünscht hatte, ging sie auf die Terrasse, um einen Moment lang ungestört nachdenken zu können.
Zweifel und ungeklärte Fragen stürmten auf sie ein. Nonna Maria war der Ansicht, die Geschichte würde sich auf wundervolle Art wiederholen, weil Seb und sie, Gina, einander an derselben Stelle begegnet waren wie einst die alte Dame und Matteo. Doch konnte Gina diesem wunderschönen, märchenhaften Erlebnis trauen? Warum gab Seb bloß so wenig über sich preis? Was bedeutete sie ihm überhaupt, wenn er sich stets so bedeckt hielt?
Nach diesem emotional sehr anstrengenden Tag war Maria früher schlafen gegangen als sonst. Seb wollte nach ihr sehen, um sich zu vergewissern, dass es ihr gutging.
„ Buonasera, Maria. Ist alles in Ordnung?“
„ Buonasera“, erwiderte sie und forderte ihn auf, sich auf den Bettrand zu setzen. „Vielen Dank für alles, was du für mich getan hast. Ich bin dir wirklich sehr dankbar.“
„Das habe ich ehrlich gern getan. Schließlich bedeutet es dir sehr viel, dass Matteo hier seine letzte Ruhe
Weitere Kostenlose Bücher