Julia Sommerliebe 0023
sie in diesen Zimmern gelacht und sich geliebt?
Zoe wollte unbedingt daran glauben, dass es so war. Warum, konnte sie sich nicht erklären. Oder etwa doch?
Das liegt daran, dass du so etwas nie erlebt hast, sagte sie sich. Dass du nie so einen Zufluchtsort hattest.
Wahrscheinlich würde sie auch nie einen haben, schon gar nicht in dieser Villa. Das hatte Leandro ihr schon deutlich gemacht: Mädchen wie sie gehörten hier nicht hin. Auch wenn er sie beim Abendbrot mit seinen Blicken fast ausgezogen hätte …
Auf einmal raschelte es im Kaminschacht. Zoe zuckte zusammen. War das ein Vogel? Oder vielleicht eine Ratte? Darüber wollte sie lieber nicht genauer nachdenken, ebenso wenig wie über all die anderen komplizierten Dinge, die ihr eben in den Sinn gekommen waren.
Also beschloss sie, noch einmal schwimmen zu gehen, um den Kopf freizubekommen. Sie ging in ihr Zimmer, um sich umzuziehen.
Als Zoe im Badeanzug nach unten kam, brannte in Leandros Arbeitszimmer immer noch Licht. Vorsichtig ging sie durch den dunklen, abschüssigen Garten zum Wasser. Die Nachtluft war warm und duftete nach Rosen.
Auf den kühlen Steinen des kleinen Bootsanlegers blieb sie stehen und betrachtete das Wasser, das jetzt fast schwarz aussah. Unheimlich. Schließlich nahm sie ihren Mut zusammen und tauchte mit einem Kopfsprung hinein.
Es war angenehm kühl, ihr ganzer Körper kribbelte. Gut, dass sie ihrer anfänglichen Scheu nicht nachgegeben hatte; so ein erfrischendes Bad tat wirklich gut.
Nachdem sie wieder aufgetaucht war, schwamm sie einige Züge und drehte dann wieder um. Gerade fragte sie sich, ob sie nicht einen Schatten auf dem Bootsanleger bemerkt hatte, als sie schon jemanden ins Wasser springen hörte. Einen kurzen Augenblick später tauchte Leandro neben ihr auf. Seine weißen Zähne leuchteten in der Dunkelheit. „Hallo. Ich dachte, ich komme mal dazu.“
Zoes Herzschlag beschleunigte sich. Sie strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht. „Es ist sehr … erfrischend.“
„Das finde ich auch.“
Auf einmal spürte sie wieder das, was sie vorhin am Esstisch gefühlt hatte: dieses Kribbeln, diese wie elektrisch aufgeladene Atmosphäre. Als könnte jeden Moment etwas passieren. Jetzt brauchte sie dringend einen kühlen Kopf! Schnell tauchte sie unter und schwamm einige Züge von Leandro weg.
Ich weiß genau, was er von mir will, sagte sie sich. Und ich von ihm.
Und trotzdem war sie eigentlich nicht bereit, sich körperlich auf ihn einzulassen. Sie wusste schließlich genau, was er von ihr hielt. Mit einem Mädchen wie ihr würde der feine Herr doch höchstens eine Nacht verbringen, aber ihr niemals sein Herz schenken! Wollte sie das Spiel trotzdem mitmachen?
Nein, zuerst musste sie sich beruhigen. Wer sagte denn, dass er vorhatte, sie zu verführen?
Inzwischen wurde ihr der Sauerstoff knapp, also tauchte sie auf. In diesem Moment packte Leandro sie an der Schulter. Sie stieß einen Schrei aus.
„Ich dachte, Sie wären ertrunken!“, sagte er.
Sie atmete schwer, musste aber trotzdem lachen. „Nein, nein. Ich kann nämlich sehr gut schwimmen!“
Seine Hand lag immer noch auf ihrer Schulter. Die Berührung lähmte sie, es fiel ihr schwer, auf der Stelle zu schwimmen. „Ich gehe jetzt wieder an Land“, sagte sie. Es klang ein bisschen hölzern.
Sie schüttelte seine Hand ab und schwamm zu der Leiter, die am Anleger befestigt war. Während sie aus dem Wasser stieg, sich abtrocknete und schließlich das Handtuch um ihren Körper wickelte, spürte sie, dass Leandro sie beobachtete. Und da war auch wieder dieses vorfreudige Prickeln …
Gleichzeitig hatte sie riesengroße Angst vor allem, was sich zwischen ihnen ergeben könnte. Sie hatte keine Ahnung, welches der beiden Gefühle schließlich siegen würde.
Jetzt hatte auch Leandro den Anleger erreicht und stemmte sich hoch. Er war tropfnass … und sah einfach umwerfend aus. Fasziniert betrachtete Zoe seinen durchtrainierten, festen Körper, der im Mondschein glänzte. Sie hielt die Luft an.
Jetzt sah Leandro zu ihr herüber. Konnte er etwa ihre Gedanken lesen? Zoe musste sich zwingen weiterzuatmen: ein und aus … und wieder ein … und wieder aus … Sie erschauerte, und er lächelte.
Dann kam er auf sie zu. Zoes Körper versteifte sich. Gleich würde er ihr durch das nasse Haar fahren und sie an sich ziehen. Und sie würde sich nicht dagegen wehren. Sie könnte es gar nicht, selbst wenn sie es sich jetzt vornehmen würde.
Aber er tat nichts dergleichen.
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