JULIA SOMMERLIEBE Band 21
gebracht haben.“
„Bin ich nicht auch unschuldig?“, fragte Linda.
Nachdenklich sah er sie an. Nur allzu lebhaft stand vor ihnen, was sie am Abend zuvor erlebt hatten, als er von ihrer Mutter erfahren hatte. Schließlich ließ er ihr Handgelenk los und ging erneut auf und ab. Offensichtlich geplagt von seinen rastlosen Gedanken, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen.
„Sag mir eins, Linda. Bist du stolz darauf, eine Britin zu sein?“
Sie zögerte keine Sekunde. „Natürlich.“
„Ich bin stolz auf die Vorfahren meines Vaters. Und du hast recht, wenn du annimmst, dass ich mehr Araber als Spanier bin. Über die Jahrhunderte wurden durch die Herrschaft der Mauren in Spanien enge Blutsbande mit den Arabern aus Marokko geknüpft. Das, was wir in uns tragen, ist so tief verwurzelt, dass es all unser Handeln und Denken bestimmt. Und ich bin in diesem Moment ein Araber, der ein Mädchen der Feinde zur Frau hat. So würden meine arabischen Landsleute es sehen. Wenn es bekannt würde, wäre dein Leben in Gefahr. Du hast diese Männer bei der Hochzeit gesehen. Anführer kriegerischer Stämme, mit denen ich Geschäfte mache und für die ich in vielen Punkten Verständnis habe. Einige von ihnen verachten die westliche Welt. Gestern haben sie dich als junge, attraktive Frau kennengelernt, die ich mir zur Frau wünsche. Sie haben akzeptiert, dass du während der Trauung an meiner Seite warst. Aber du kannst sicher sein, dass ihr Zorn tödlich sein würde, wüssten sie, was ich gestern erfahren habe. Wie ich schon sagte, der Hass ist tief verwurzelt.“
Sie dachte über seine Worte nach und erinnerte sich an die stolzen, kämpferischen Mienen der Männer, die mit geheimnisvollem Blick beobachteten hatten, wie Karim el Khalid sie geheiratet hatte. Sie war sich bewusst, dass die Araber die Briten von allen westlichen Nationen am bereitwilligsten akzeptierten. Diese Männer, die Karims Freunde und Landsmänner waren, akzeptierten, dass sie durch und durch Engländerin war. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich vorstellte, einem von ihnen vielleicht allein und hilflos ausgeliefert zu sein.
„Was wird jetzt mit mir geschehen?“, fragte sie beinahe verloren.
Karims Blick schweifte über ihren Körper. Sie wusste, was er sah: eine junge Frau, die ihn körperlich reizte … und die vielleicht in diesem Moment schon sein Kind in sich trug. Und sie sah einen Mann, der sie trotz der möglichen Gefahr nicht gehen lassen wollte. Nicht, weil er sie liebte, sondern weil eine starke körperliche Anziehung sie von Anfang an verbunden hatte.
Wenn sie sich berührten, wurde alles andere unwichtig. Wenn sie sich küssten, vergaßen sie alles andere.
Gestern Nacht hatte er das Wort tabu ausgesprochen, doch sein Verlangen an diesem Morgen hatte es ausgelöscht. Als er zu ihr trat, drohten ihre Beine unter ihr nachzugeben. Er war bei ihr, bevor sie sich Hilfe suchend an den Bettpfosten klammern konnte. Dann zog er sie an sich und erklärte ihr, dass er Vorkehrungen für ihren Rückflug nach Spanien getroffen habe.
„Aber ich wollte mir Fes ansehen“, protestierte sie.
„Hast du denn keine Angst?“
„Doch, ich habe Angst, aber ich bin kein Feigling.“
Er hielt sie auf Armeslänge und suchte ihren Blick. „Ich bin versucht, deinen Mut auf die Probe zu stellen.“
„Ich habe dich geheiratet, oder nicht?“
Ein verhaltenes Lächeln umspielte seine Lippen. „Wenn es kühler geworden ist heute Abend, werde ich mit dem Reitunterricht für dich beginnen. Ja, ich denke, wir sollten noch eine Weile bleiben. Denn solltest du meinen Sohn in dir tragen, möchte ich, dass er ein Sohn der Wüste wird. Es gibt keinen vergleichbaren Ort auf der Welt, an dem ein Mann der Unendlichkeit ins Auge blicken kann.“
Er zog sie an seine Brust. „Was dich betrifft, Linda, bin ich in meiner Entschlossenheit nicht so stark, wie ich sein sollte. Auf der anderen Seite liegt es in der Natur des Mannes, das Verbotene zu begehren. Und ich werde mich nicht für das entschuldigen, was eben passiert ist.“
„Ich habe dich nicht um eine Entschuldigung gebeten.“
„Ich bin nicht gerade sanft mit dir umgegangen.“
„Dass du ein sanftmütiger Mensch bist, habe ich nie angenommen.“
„Ich frage mich, was du überhaupt von mir denkst.“ Er umfasste ihren Kopf und sah sie eindringlich an. „Bedeute ich dir etwas?“
„Willst du, dass es so ist?“, antwortete sie ausweichend.
„Ich weiß es nicht.“ Sein Blick ruhte
Weitere Kostenlose Bücher