JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Woche allein sein. Möchtest du in Fes bleiben oder lieber nach Spanien zurückkehren? Ich könnte dorthin kommen, wenn die Gespräche abgeschlossen sind.“
„Willst du denn, dass ich nach Spanien gehe, Karim?“ Sie klopfte mit ihrer Reitgerte gegen den Stiefel, ohne Karim anzusehen.
„Es wäre mir lieber“, erwiderte er. „Du weißt, warum ich dich nicht gerne allein im Ras Blanca lasse.“
„Ich bin nicht beunruhigt, Karim.“ Sie erwiderte seinen Blick durch den Zigarrenrauch, der zwischen ihnen hing. „Du weißt, dass es mir hier in Fes gefällt. Und eine Woche ist schnell vorbei.“
„Dann soll es so sein.“ Schicksalsergeben hob er seine linke Hand. „Ich spüre, dass dir die Wüste ans Herz gewachsen ist. Du hast dich nie über die Hitze oder die Stürme beschwert, die Tausende kleiner Sandkörnchen ins Haus tragen. Du bist wirklich eine Frau, die man selten findet.“
Seine Augen schweiften über ihre schlanke Figur in der knabenhaften Reitkleidung, und sie sah, wie sich dieses geheimnisvolle kleine Lächeln in seine dunklen Augen stahl, die vom Mondlicht erleuchtet wurden. „Du hast ja deinen Flügel, also wirst du deinen Ehemann kaum vermissen, nicht wahr?“
„Nein, mein Gebieter. Ich werde Chopin spielen, um mein Herz zu erfreuen.“ Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus. „Dass du mir den Beckstein gekauft und von Barcelona hierher hast schiffen lassen, war das schönste Geschenk, das du mir machen konntest.“
„Ich höre dir gerne beim Spielen zu. Außerdem ist das Piano ein Instrument, das für sich allein stehen kann. Ein Cello hingegen braucht eine Gruppe anderer Cellisten und Geigenspieler.“
„Ich wünschte, ich könnte dir auch etwas schenken“, murmelte sie und bedauerte fast ein wenig, ihm jetzt nicht sagen zu können, dass sie schwanger war. Nur deshalb hatten sie eigentlich geheiratet. Aber es war nicht länger der Grund, warum sie zusammenblieben. Trotz seines Reichtums und seiner Stellung trug er die Einsamkeit der Wüste in sich, die sie ihm zu gerne nehmen wollte. Vielleicht gelang es ihr sogar, denn im Halbschlaf streckte er hin und wieder seine Hand nach ihr aus und zog Linda an sich. Manchmal erwachte sie davon, während Karim weiterschlummerte. Dann gab sie sich im Dunkeln dem wundervollen Traum hin, dass nichts sie je würde trennen können.
Doch sie spürte, dass dies nur ein Wunschtraum war, wenn sie ihn gedankenverloren durch den Hofgarten wandern sah. Gefangen in den Erinnerungen, die tief in ihm vergraben lagen. Der gewaltsame Tod seines Vaters, den seine Mutter hatte mitansehen müssen, hatte sich in ihm eingebrannt. Er konnte ihn weder vergessen noch vergeben, da er in seinem Herzen ein Araber war. Manchmal umfasste er mit unheilvollem Blick das kleine Herz an Lindas Armband.
Linda fürchtete die Nächte, in denen er sie in dem großen Bett allein ließ, in dem sie sich sonst sehr nah waren oder in zufriedener Trägheit nebeneinander lagen, während die Ventilatoren wie zufriedene Katzen leise unter der Decke schnurrten.
Sie wusste genau um die Schatten, die seine Gedanken verdunkelten, während er den strafenden Geistern erlaubte, ihn mit sich fortzureißen.
Die meisten Räume im Ras Blanca waren wunderschön, doch das Schlafzimmer, das sie sich mit Karim teilte, war am aufwendigsten ausgestattet. Das Symbol ewiger Jugend, verkörpert durch die Lotusblüte, war aufwendig in die Bettpfosten geschnitzt, die bis zur Decke reichten. Manchmal, wenn sie glücklich erschöpft neben ihm lag, tastete sie nach den geschnitzten Lotusblüten und lächelte in sich hinein, weil sie sich nicht wie seine robija fühlte.
Und trotzdem, sie war eine Sklavin ihrer Gefühle, wenn Karim sie berührte. Allein die Berührung seiner schlanken, dunklen Hand genügte, um ihre Gefühle aufzuscheuchen wie die Tauben oben auf dem Turm. Wenn er sie berührte, gehörten sie einer Welt an, in der nur sie beide existierten. Niemandem wurde erlaubt, sie zu betreten.
Linda war überrascht, wie sein Haushalt geführt wurde. So ganz anders als im Haus ihrer Tante, wo die Mahlzeiten immer zur gleichen Zeit pünktlich auf dem Tisch stehen mussten. Hier in Karims Haus aßen sie auch um Mitternacht, wenn ihnen danach gelüstete, und seinem Personal schien es nicht das Geringste auszumachen. Mit schweigender Höflichkeit servierten sie ein aufwendiges Menu und räumten die Teller schließlich spät in der Nacht wieder ab. Sollte es sie überraschen, dass die Musik von Chopin
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