JULIA SOMMERLIEBE Band 21
hingab mit all seiner Leidenschaft, die so vieles aus ihrer traurigen Vergangenheit auslöschte. Das einsame zehnjährige Mädchen gab es in diesem Moment nicht mehr. Sondern nur noch eine Frau, die sich voller Lust und Freude einem Mann hingab.
Er wird mich nie fortschicken, dachte sie. Niemand wird ihn je so lieben können wie ich.
In einem unkontrollierten Augenblick der Leidenschaft strich er ihr eine goldblonde Strähne aus der Stirn und flüsterte mit rauer Stimme: „Mein kleiner, wilder Falke.“
„O ja“, hauchte sie atemlos, ehe sie gemeinsam über den Rand der Klippe flogen, dem goldenen Sonnenlicht entgegen, das ihr Zimmer ganz erfüllte.
8. KAPITEL
Hell leuchtend war der Mond über den Dünen aufgegangen, die der Wind zu erstaunlichen Gesichtern geformt hatte. Sie wirkten wie uralte Wüstengötter.
Während sie Seite an Seite dahinritten, atmete Linda tief die kühle Luft ein, die unglaublich erfrischend war nach der Hitze des Tages. Sie hatte die Liebe zum Reiten entdeckt. Denn schnell hatte sie sich als gute Schülerin erwiesen, als Karim ihr zum ersten Mal in den Sattel von Farida geholfen hatte, einer wunderschönen rotbraunen Stute mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif. Dabei war Farida keineswegs sanftmütig. Wie Karims schwarzer Hengst war sie ein reinrassiges Araberpferd, doch Linda hatte sich ihr ohne Angst genähert. Irgendetwas in ihrer Stimme schien die Stute zu Anfang jedoch zu reizen. Denn zunächst tänzelte sie nervös und schlug mit dem Schweif.
Nun, fünf Wochen später, fühlte Linda sich in dem Sattel wie zu Hause. Jeden Tag freute sie sich jetzt darauf, über den Sand zu galoppieren, wenn die Sonne am Himmel verschwunden war und die gnadenlos heiße Wüste in das dunkle Violett der Nacht getaucht dalag.
„Die Schönheit der Wüste fasziniert mich immer wieder aufs Neue.“
Karim wandte sich zu ihr um und schenkte ihr ein geheimnisvolles Lächeln. Obwohl Linda nun schon einige Wochen mit ihm verheiratet war, war er für sie immer noch ein Mann, der wie die Wüste war. Faszinierend und unberechenbar zugleich.
„Wie schön, dass dir die Wüste gefällt. Sieh doch, die Sterne. Selbst der Mond kann sie nicht in den Schatten stellen.“
Das Licht der silbern schimmernden Sterne ließ Lindas Gesicht blass wirken. Bei Tageslicht wirkte ihre Haut inzwischen gebräunt, während ihre Haare durch die Sonne fast in einem hellen Platin leuchteten. Sie hatte sich verändert und fühlte sich nicht mehr als die verschüchterte junge Frau, die vor Wochen im Ras Blanca angekommen war und nervös auf die Hochzeit mit El Khalid wartete.
Inzwischen war ihr der große, wunderschöne Körper in dem locker sitzenden Kaftan, der sich im Wind bauschte, und der Wickelhose sehr vertraut. Sie spürte, wie die Brise auch an ihrem eigenen Umhang zerrte. Die Wüste war unberechenbar und manchmal konnte es plötzlich kalt wie in England werden. Linda war froh um ihren Umhang, den sie fest um sich zog, als sie und Karim nach Hause ritten.
Sie hatte das Gefühl, hierher zu gehören, auch wenn es nicht von Dauer sein würde. Karim hatte zwar nie gefragt, aber vermutlich nahm er an, dass sie nicht sein Kind in sich trug. Ihr Liebesspiel hatte etwas Berauschendes, dem sie immer wieder erlagen; selbst unter dem unendlichen Sternenzelt hatten sie sich schon geliebt, und trotzdem wusste sie, dass sie nicht schwanger war. Sie hatte darum gebetet, und offensichtlich wurde ihr Gebet erhört. Sie wollte, dass Karim sie um ihrer selbst willen an seiner Seite wünschte und versuchte ihr Bestes, um ihm Tag und Nacht ein befriedigender Partner beim Liebesspiel zu sein.
Sie ritten zu dem Kamm, wo sie den Pferden immer eine Ruhepause gönnten, während Karim eine Zigarre rauchte. Linda liebte den würzigen Duft, der sich mit der Nachtluft vermischte. Und sie liebte es, wie sein Blick über die unendliche Weite schweifte. Als ob er sich an der Wüste nie sattsehen könnte, die er sowohl friedlich als auch in kriegerischen Zeiten erlebt hatte. Linda kannte ihn nun gut genug, um zu erkennen, wann der dunkle Geist der Vergangenheit, der sich manchmal zwischen sie drängte, wieder Besitz von ihm ergriff.
Als er gegen die Säule gelehnt die Flamme an seine Zigarre hielt, erkannte Linda an seiner Miene, dass ihm etwas durch den Kopf ging. Doch er rauchte erst noch eine Weile, bis er endlich sprach.
„Morgen muss ich nach Rabat, um bei einem Treffen der Scheichs teilzunehmen“, sagte er. „Du wirst also für eine
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