JULIA SOMMERLIEBE Band 21
was jetzt zählte. Trotz ihrer so unterschiedlichen Herkunft. Tief im Innern hatte sie das Gefühl, nicht länger eine Fremde zu sein in der unendlichen Wüste, wo sie in Karims Armen lag und seine Küsse bis zur Neige genoss.
Seine Hände strichen über die zarte Haut, ihre Hüften hinunter, ehe er sie ein wenig anhob und in sie eindrang. Sie spürte, wie er sich immer schneller in ihr bewegte und sie sich benommen vor Verlangen an seine Schultern klammerte, ehe sie sich gemeinsam in der Unendlichkeit vergaßen.
Schließlich galoppierten sie nach Hause, die Umhänge fest um sich geschlossen zum Schutz gegen die Kälte, die die Nachtluft erfüllte. Im Innenhof hob er sie dann langsam aus dem Sattel und ließ sie an seinem Körper hinuntergleiten.
Der Stallbursche nahm ihnen die Pferde ab. Während Karim sie ins Haus geleitete, presste er seine Finger auf die Hand der Fatima, die in die Wand neben der Eingangstür eingelassen war. Ein wenig besorgt verfolgte Linda seine Bewegung, da er den Glücksbringer nicht immer berührte. Warum gerade an diesem Abend? Am liebsten hätte sie die Arme um seinen Hals geschlungen und ihn gebeten, nicht nach Rabat zu reisen, wo wichtige Entscheidungen getroffen werden sollten. Doch sie hatte nicht das Recht, in dieser Weise über einen Mann zu bestimmen, der sie nur bei sich behielt, weil sie ihm Vergnügen bereitete – so wie die Frauen im Harem den Männern zu Gefallen gewesen waren. Finstere, stolze Gebieter des Orients, die zutiefst davon überzeugt waren, dass eine Frau dazu geboren war, eine Quelle des Vergnügens zu sein.
„Du willst also in Fes bleiben, während ich weg bin?“, fragte er, als sie im sala saßen und sich ein köstliches Couscous mit Huhn und Gemüse teilten.
Sie nickte und öffnete den Mund für das Stück Huhn, das er ihr hinhielt. „Bitte sag nichts dagegen, Karim. Hier fühle ich mich dir näher.“
„Dann soll es so sein, wie ich schon sagte.“
„Ich widersetze mich ja nicht oft deinen Wünschen, nicht wahr?“ Lächelnd sah sie ihn an, während ihr Herz vor Liebe überquoll.
„Anders als viele andere Frauen hast du nichts von einem stacheligen Kaktus an dir.“
„Danke, m’lord.“
„Gern geschehen, m’lady.“
Später rauchte er seine Zigarre, während sie sich in die Kissen gekuschelt hatte und Nüsse und Obst aß. Die Wüstenluft machte sie immer hungrig. Und obwohl sie ständig etwas knabberte – besonders gern die köstlichen kleinen Mandelkuchen, eine Spezialität des Küchenchefs – schien sie kein Gramm zuzunehmen. Und das gefiel ihr. Solange sie ihre Form behielt und sie sich nicht von der Hitze des Tages abschrecken ließ, würde Karim ihr zumindest körperlich hörig sein. Und das hieß, dass sie immer schlank und frisch aussehen und sich ihm schenken müsste, wann immer er das Verlangen nach ihr hatte.
Auch wenn es ein Risiko in sich barg, Miriams Tochter zu sein, war Linda doch froh darüber. Denn sie hatte das Wesen ihrer Mutter geerbt und wollte sich nicht einmal vorstellen, welch ein Mensch sie geworden wäre, wäre Tante Doris ihre Mutter. Sie war sicher, dass sie von deren Familie inzwischen genauso geächtet wurde wie Miriam. Ihr Name wurde vermutlich nicht einmal mehr erwähnt. Und es fühlte sich seltsam an, als ihr bewusst wurde, dass sie kein Zuhause mehr hatte, außer dem, das sie mit Karim teilte. In mehr als einer Hinsicht war sie auf seine Gnade angewiesen.
Sie blätterte im Koran, in feinstem Gazellenleder eingebunden. Ganz egal, wie oft sie El Khalid körperlich nahe war, blieb er ihr doch genauso ein Geheimnis wie die wunderschönen roten und goldenen Buchstaben, die sie gerade betrachtete. Sie wollte seine Sprache verstehen, und sie sehnte sich verzweifelt danach, Karim selbst zu verstehen. Doch beide entzogen sich ihr.
Leise seufzend stellte sie das Buch an seinen Platz zu den anderen Büchern zurück. Manche von ihnen waren in englischer Sprache geschrieben, eines davon ein Gedichtband von Robert Browning. Zu gern hätte sie ihren Mann gefragt, warum er Liebesgedichte las, wenn er aus seinem Herzen jedes Gefühl von Liebe verbannt hatte.
„Was wirst du tun, während ich weg bin?“, fragte er.
„Ich werde die Stadt erkunden …“
„Nicht allein!“, wies er sie scharf zurecht.
„Nein. Ich werde Sofie mitnehmen. Keine Sorge, Karim. Wenn ich die abayah trage, wird mich niemand von den arabischen Frauen unterscheiden können, weil ich ganz verhüllt bin. Ich möchte mir den Markt mit dem
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