JULIA SOMMERLIEBE Band 21
weißen Bademantel war er nackt, wie sie feststellte. Ihr Mund war mit einem Mal trocken, und sie musste schlucken.
Unbeirrt trat er zum Bett, ließ sich auf die Bettkante sinken und sah Marisa an. „Du hast dein Haar gelöst“, sagte er. „Ich hatte gehofft, das selbst machen zu dürfen.“
„Bitte, lass mich in Ruhe“, flüsterte sie.
„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber ich werde bleiben.“ Sein Lächeln war unergründlich. „Dies soll unsere Hochzeitsnacht werden, mia cara. Und nichts kann mich davon abhalten.“
„Nichts? Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Ich möchte dich nicht in meinem Schlafzimmer sehen, solange Doria Venucci im Spiel ist.“
„Hast du erwartet, ich würde während deines Aufenthaltes in London als Mönch leben?“ Er blickte sie an. „Ich hatte vor, dir von ihr zu erzählen, ehe es jemand anders tut“, erklärte er ohne Umschweife.
„Du hattest es vor?“, wiederholte Marisa ungläubig.
„ Sì . Ich wollte heute Abend etwas mit dir besprechen, erinnerst du dich? Aber dann bin ich – sehr charmant – davon abgebracht worden.“ Er räusperte sich. „Ich hatte gehofft, die Gelegenheit würde sich noch ergeben. Aber meine Großmutter liebt es, schlechte Nachrichten zu überbringen. Und deshalb hatte ich keine Chance mehr, mit dir über meine Beziehung zu Doria zu sprechen.“
„Ich bin deiner Großmutter dankbar. Sie hat mir wieder mal die Augen geöffnet und mich daran erinnert, wie du tatsächlich bist.“ Sie atmete tief durch. „Was wolltest du mir erklären – außer, dass du ein Frauenheld bist, der sich nicht im Griff hat?“
Das folgende Schweigen war unerträglich.
„Ich denke nicht, dass du mir das wirklich vorwerfen kannst“, erwiderte Lorenzo eine Spur zu höflich. „Und auch du bist bei anderen Männern längst nicht so zurückhaltend wie bei mir.“
Sie keuchte empört auf. „Was meinst du damit?“
„Ich denke an den armen, verlassenen Corin und an Alan, der dich erst gestern nach Hause begleitet hat. Was wäre geschehen, wenn ich euch nicht gestört hätte?“
„Nichts“, sagte sie knapp.
„Bist du sicher?“
Ja, denn ich habe niemals einen anderen Mann geliebt als dich. Das ist die Wahrheit, die ich dir und mir selbst nie mals eingestehen darf. Denn du erwiderst meine Gefühle nicht. Sobald du ein Kind hast, wirst du mich nicht mehr beachten und dich wieder anderen Frauen zuwenden.
Dabei wünsche ich mir deine Liebe, deine Zuneigung – aber das werde ich nicht von dir bekommen. Und deshalb werde ich niemals offenbaren, was ich für dich empfinde. Eher würde ich sterben, als dir meine Gefühle zu zeigen und zu riskieren, mich lächerlich zu machen oder von dir bemitleidet zu werden.
Ihre Gedanken überschlugen sich, doch sie blieb stumm.
Forschend sah er sie an. „Meine Großmutter ist übrigens nicht auf dem Laufenden. Die Affäre mit Doria Venucci ist längst beendet. Darauf gebe ich dir mein Wort.“
„Um meine Gefühle nicht zu verletzen? Oder weil du den Skandal fürchtest?“, fragte sie trotzig.
„Oh, der Skandal, naturalmente. “ Seine Stimme war kühl. „Mir war nicht bewusst, dass du Gefühle für mich hast, die ich verletzen könnte.“ Ganz plötzlich wechselte er das Thema. „Nachdem du keinen meiner Anrufe beantwortet hast, mia cara, hast du wenigstens meine Briefe gelesen?“
Mit dieser Frage hatte sie nicht gerechnet. All die Luftpostumschläge lagen ungeöffnet und gebündelt in ihrer Kommode. Verlegen strich sie über die Stickerei auf der Bettdecke. „Nein, ich habe nicht einen einzigen geöffnet.“
„ Che peccato “, sagte er. „Schade. Sie wären vielleicht aufschlussreich gewesen.“
„Oder vielleicht hatte ich ja auch das Gefühl, dass ich schon alles über dich weiß, was ich wissen muss.“
„Erst vor wenigen Stunden hast du erlebt, wie wenig du mich bisher kanntest. Wir stehen noch ganz am Anfang.“ Bedächtig löste er den Gürtel des Bademantels.
Abrupt wandte Marisa sich ab und drehte ihm den Rücken zu. Sie wollte ihn nicht nackt sehen – sie wagte es nicht …
„Nein“, widersprach sie heiser. „Du denkst doch wohl nicht, dass alles gut ist, nur weil die Affäre beendet ist, oder? Signora Venucci war nicht die erste und sie wird auch nicht die letzte Frau sein, mit der du mich betrügst. Glaubst du im Ernst, unter diesen Umständen lasse ich dich an mich heran?“
Sie fühlte, wie die Matratze unter seinem Gewicht nachgab, und spürte, wie ihr
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