JULIA SOMMERLIEBE Band 21
dass es keine andere Frau in seinem Leben gab. Wie gern hätte sie ihm gesagt, dass es eine Lüge war zu behaupten, sie würde ihn nicht lieben. Doch ihr Stolz ließ es nicht zu.
Stattdessen sagte sie mit kühler Stimme zu ihm: „Könntest du deiner Großmutter bitte klarmachen, dass ich ihre Ratschläge nicht brauche, weil zwischen uns bereits alles geregelt ist?“ Dann fügte sie ruhig hinzu: „Entschuldige, wenn ich mich schon zurückziehe, aber der Tag war lang und anstrengend. Ich möchte schlafen gehen und nicht gestört werden. Das wirst du sicher verstehen.“ Damit ging sie an ihm vorbei, und es gelang ihr, nicht zu weinen.
10. KAPITEL
War es möglich, sich gleichzeitig tief verletzt und doch so leer zu fühlen? Es war, als würde sie langsam verbluten, als würde jede Wärme ihren Körper verlassen.
Trotz der Müdigkeit konnte sie sich nicht überwinden, in dem Bett zu schlafen, das sie noch vor wenigen Stunden voller Vorfreude und Verlangen mit Lorenzo geteilt hatte.
Es war nur ein schöner Traum. Sie hatte geglaubt, sie könnte damit leben, mit ihm zu schlafen und in Freundschaft mit ihm verbunden zu sein. Doch sie wusste nun, dass sie ein solches Leben nicht ertragen würde. Niemals könnte sie hinnehmen, dass es andere Frauen in seinem Leben gab, während sie Seite an Seite mit ihm in diesem Haus lebte.
Unentschlossen stand sie vor der Schlafzimmertür und wünschte sich, an irgendeinem anderen Ort auf der Welt zu sein.
Langsam ging sie zum salotto am Ende des langen Flures. Das große, lichtdurchflutete Zimmer mit dem wunderschönen Erker gehörte zu Lorenzos und ihren Privaträumen. Marisa ließ sich in einen der gemütlichen Sessel sinken und dachte nach. Jeder außer ihr hatte gewusst, dass Nonna Teresa nur auf diese Möglichkeit gewartet hatte, um sie zu demütigen. Und selbst Guillermo war es nicht gelungen, das zu verhindern.
Verzweifelt erinnerte sie sich an Maria, ihre Patin, an ihre warmen, fröhlichen Augen und ihre liebevollen, tröstlichen Umarmungen. Wie hatte eine kalte und selbstge rechte Frau wie Nonna Teresa eine solch herzliche Tochter großziehen können?
Doria Venucci.
Immer wieder sagte sie den Namen laut vor sich hin. Eine schöne, erfahrene Frau. Und sie verkörperte alles, was Lorenzo an einer Frau liebte.
Trotzdem hat er mich einen Moment lang vergessen lassen, warum wir eigentlich zusammen sind, dachte sie und ballte unbewusst die Hände zu Fäusten. Sie hatte sich von ihm verzaubern lassen und nicht mehr daran gedacht, dass es für ihn lediglich einen Grund gab, sich mit ihr abzugeben: Sie sollte ihm einen Sohn schenken.
Wie gern hätte sie den Tränen freien Lauf gelassen, doch sie zwang sich zur Selbstbeherrschung. Ein Jahr lang hatte sie erfolgreich versucht, ihre Gefühle zu unterdrücken, ihn nicht spüren zu lassen, was er ihr bedeutete.
Doch kaum spüre ich seine Küsse auf meinen Lippen, seine Hand auf meiner Haut, verfalle ich ihm hoffnungslos, dachte sie wütend.
Zum Glück war Rosalia aufgetaucht, ehe sie sich vollkommen vergessen und ihm offenbart hatte, was sie für ihn empfand. Vermutlich hätte sie ihm sonst gestanden, dass sie ihn liebte. Nicht auszudenken …
Zu gern wollte sie wissen, was gerade im anderen Flügel des Hauses besprochen wurde. Ruhelos stand sie auf und wanderte auf und ab, bis ihr Blick auf ihre Armbanduhr fiel. Es war weit nach Mitternacht.
Zeit, zu Bett zu gehen.
Und morgen früh werde ich mir nicht anmerken lassen, wie verletzt ich bin, beschloss sie. Dein Gift, Nonna Teresa, wirkt bei mir nicht, dachte sie.
Niemals sollte sie wissen, dass es ihr gelungen war, mit wenigen Worten Marisas Selbstachtung zu zerstören – vielleicht für immer.
Als Marisa ins Schlafzimmer trat, sah sie, dass Rosalia bereits beide Bettdecken zurückgeschlagen und das seidene Spitzennachthemd auf dem Bett ausgebreitet hatte.
Sie ist wirklich eine Optimistin. Oder das Personal hat tatsächlich nichts von der geschmacklosen Auseinander setzung mitbekommen.
Gedankenverloren ging Marisa ins Bad, machte sich frisch, löste ihr Haar und bürstete es, bis es golden glänzend über ihre Schultern fiel. Dann ließ sie sich erschöpft ins Bett fallen und löschte das Licht.
Erst im letzten Augenblick bemerkte sie erschrocken, dass sie nicht allein war. Schweigend stand Lorenzo in der Verbindungstür zu seinem Schlafzimmer.
„Du schläfst also doch noch nicht“, stellte er fest.
„In zwei Minuten werde ich schlafen.“
Unter dem flauschigen
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