JULIA SOMMERLIEBE Band 21
hatte sie seine Gesellschaft gesucht, seine kleinen Aufmerksamkeiten genossen und sogar seine schlechte Laune ertragen. Sobald er nicht in ihrer Nähe gewesen war, hatte sie sich leer gefühlt. Sobald sie seine Stimme gehört hatte, hatte ihr Herz schneller geschlagen.
Doch bis zu jenem Augenblick im Pool, als sie ihm ein eindeutiges Angebot gemacht hatte, war es ihr stets gelungen, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.
Aber wie sollte sie es ertragen, jeden Tag mit ihm zu verbringen, sich vor Liebe nach ihm zu verzehren, wenn er ihr nie etwas anderes würde entgegenbringen können als Freundschaft?
Vielleicht würde er sie wieder zurückweisen, wenn er wüsste, was sie für ihn empfand. Deshalb musste sie vorsichtig sein, um sich nicht zu verraten. Nur wenn es ihr gelang, weiterhin gleichgültig zu erscheinen, konnte sie ihre Würde bewahren.
Seufzend ging sie zurück ins Schlafzimmer, wo Rosalia bereits auf sie wartete.
Eigentlich hatte sie ihr Haar offen tragen wollen, doch das Dienstmädchen beharrte darauf, es kunstvoll aufzustecken. Und tatsächlich musste Marisa nach einem Blick in den Spiegel zugeben, dass sie elegant und selbstbewusst wirkte.
Zu ihrer Enttäuschung schien Lorenzo ihre neue Frisur gar nicht wahrzunehmen, als er sie wenig später zum Dinner abholte. Auch er hatte sich umgezogen und war – seiner grimmigen Miene nach zu urteilen – in wenig erfreuliche Gedanken vertieft.
Als sie kurz darauf an seiner Seite den salotto betrat, traf sie sofort Teresa Barzatis missbilligender Blick. Die alte Dame saß auf einem Stuhl mit hoher Lehne direkt am Kaminfeuer. Mit ihren dunklen Augen musterte sie Marisa von Kopf bis Fuß, und ihre Miene ließ keinen Zweifel daran, dass sie Marisas Garderobe für unangemessen hielt.
Marisa seufzte lautlos. Na ja, was macht das angesichts der vielen anderen Fehler schon, die ich Nonna Teresas Meinung nach habe, dachte sie und straffte beinahe trotzig die Schultern.
Selbstverständlich war die Kleidung der alten Dame tadellos. Sie trug ein Kleid aus schwarzer Seide, dessen Düsternis nur von den breiten goldenen Armreifen mit eingearbeiteten Smaragden aufgelockert wurde, die ihre dünnen Handgelenke umfassten.
Zweifellos war der Schmuck wunderschön und unbezahlbar, dennoch passte er Marisas Meinung nach nicht zu dieser strengen alten Dame.
„Also hast du dich entschlossen zurückzukehren, Marisa.“ Mit hochgezogenen Augenbrauen begrüßte Nonna Teresa sie. „Glücklicherweise hast du endlich erkannt, was deine Pflicht ist. Vergiss es nicht wieder.“
Ein entsetztes Schweigen folgte.
Marisa holte tief Luft und spürte, dass sie errötete, doch Lorenzo ergriff ihre Hand und drückte sie beschwichtigend.
„Meine Großmutter hat vergessen zu erwähnen, wie sehr sie sich freut, dich zu sehen“, sagte er sanft. Herausfordernd sah er Nonna Teresa an. „Ist es nicht so?“
Signora Barzati zögerte kurz, dann neigte sie kaum merklich den Kopf, was mit viel gutem Willen als Nicken verstanden werden konnte.
In diesem Moment trat Guillermo auf Marisa zu, bot ihr einen Drink an und betonte, wie hübsch sie aussehe.
Dankbar lächelte sie ihn an, doch ihre Unsicherheit blieb. Diese offene Feindseligkeit hatte sie nicht erwartet. Sie setzte sich zu Ottavia Alesconi auf eines der einladenden Sofas.
Trotz der erlesenen Speisen entspannte sich die Stimmung auch bei Tisch nicht. Nonna Teresa beanspruchte den Platz des Familienoberhauptes am Kopfende und führte endlose Monologe über die politische Lage und das Steuersystem.
Als Marisa aufsah und Lorenzos Blick suchte, bemerkte sie, dass er sie unentwegt ansah. In seinen Augen stand seine Begierde – und noch etwas anderes, das sie im Moment noch nicht fassen konnte.
War er besorgt? Unsicher? Das ist Unsinn, sagte sie sich. Noch vor wenigen Stunden hatte er sie in den Armen gehalten, und er konnte es jederzeit wieder tun. Ein Santangeli war nicht unsicher.
Nach dem Dinner wollten sie den Kaffee im salotto trinken. Nur Guillermo, der erschöpft wirkte, wollte zu Bett gehen.
„Entschuldige mich.“ Er küsste Marisa auf die Stirn. „Morgen haben wir mehr Zeit, uns zu unterhalten.“ Dann wandte er sich an Lorenzo. „Auf ein Wort, mein Sohn? Ich verspreche dir, es wird nicht lange dauern. Schließlich soll deine Frau nicht zu lange auf dich verzichten müssen.“
„Mein lieber Guillermo“, mischte sich Teresa Barzati ein. „Ich denke, das wäre kein Problem für sie – immerhin hat sie ein Jahr lang keinen
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