JULIA SOMMERLIEBE Band 21
hatte?
„Meine liebe Signora Santangeli.“ Dr. Fabiano sah sie lächelnd an. „Sie sind gerade erst ein Jahr verheiratet. Kein Grund, sich Sorgen zu machen.“
„Schon“, gab Marisa zu, „aber ich hatte gehofft, es … es wäre endlich passiert.“
Drei wunderbare Monate lang hatte sie mit Lorenzo Nächte voller Leidenschaft verbracht, und doch war sie noch immer nicht schwanger.
„Wir wünschen uns so sehr ein Kind.“
„Manchmal lässt sich die Natur nicht zur Eile zwingen“, gab der Arzt zu bedenken. „Teilt Ihr Mann Ihre Ängste?“
„Wir haben noch nicht darüber gesprochen“, räumte sie ein. Tatsächlich meiden wir dieses Thema, dachte sie. Doch sie wusste, dass Lorenzo auf die gute Nachricht wartete. Manchmal ertappte sie ihn dabei, dass er sie prüfend ansah. Offenbar hoffte er, ein Zeichen einer Schwangerschaft entdecken zu können.
„Wenn Sie möchten, können wir gern einige Untersuchungen machen, um zu sehen, ob es einen Grund dafür gibt, dass Sie noch kein Baby erwarten“, bot Dr. Fabiano an und lächelte beruhigend. „Von Ihrem Arzt in England weiß ich, dass Sie absolut gesund sind. Mehr noch – Sie scheinen in den vergangenen Monaten regelrecht aufgeblüht zu sein. Aber mir ist klar, dass Sie …“, er räusperte sich, „… unter einem gewissen Druck stehen. Schließlich wird Ihr Baby eines Tages der Marchese Santangeli sein.“
Dankbar nickte Marisa.
„Ich werde Sie an die Klinik überweisen, und Sie werden sehen: Alles ist in Ordnung, und Sie können sich ganz entspannt auf ein Baby freuen.“ Dr. Fabiano begann, einige Formulare auszufüllen. „Sie werden doch vorher mit Ihrem Mann darüber sprechen?“
„Selbstverständlich“, versicherte Marisa.
Wenn alles vorbei ist und ich die Sicherheit habe, schwanger werden zu können. Dann werde ich Lorenzo von meinen Ängsten erzählen, und wir können gemein sam darüber lachen.
Gedankenverloren saß Marisa im Auto. Sie fühlte sich unbehaglich.
Doch sie durfte jetzt nicht daran zweifeln, dass sie einen notwendigen Schritt in die richtige Richtung getan hatte. Bald würde sie Gewissheit haben, dass mit ihr alles in Ordnung war und dass sie problemlos ein Baby bekommen konnte.
Ihr Leben hatte sich in vielerlei Hinsicht geändert. Allein die Tatsache, einen Führerschein und ein eigenes Auto zu besitzen, gab ihr ein völlig neues Lebensgefühl.
„Ein erster Schritt in deine Freiheit, mia cara “, hatte Lorenzo sanft gesagt, als er ihr den Autoschlüssel überreicht hatte.
Wollte er sie damit daran erinnern, dass ihr gemeinsames Glück vergänglich war und sich ihre Wege eines Tages unweigerlich trennen würden?
Nein, ich darf nicht so viel grübeln. Ich muss positiv in die Zukunft sehen.
So vieles war anders geworden. Das Personal in der Vil la Proserpina akzeptierte sie als neue Hausherrin. Und auch ihr Schwiegervater und seine Lebensgefährtin waren ihr von Herzen zugetan.
Nachdem Marisa eines Abends Arm in Arm mit Lorenzo im salotto erschienen war, hatte Ottavia ihr zugezwinkert und geflüstert: „Wie ich sehe, ist der Kampf vorüber, cara. Und ich will gar nicht wissen, wer gewonnen hat.“
Außerdem hatte sie angefangen zu reisen. Oft nahm Lorenzo sie mit auf seine Geschäftsreisen. Sie sah viel von der Welt und fühlte sich mittlerweile bei gesellschaftlichen Ereignissen nicht mehr so unsicher.
Und auch das Apartment in Rom, das sie so lange gemieden hatte, war für sie kein weißer Fleck auf der Landkarte mehr. Obwohl es bei ihrem ersten Besuch dort beinahe zum Streit gekommen war. Denn als sie zum ersten Mal in seinem breiten Bett gelegen hatte, war unweigerlich die Frage in ihr aufgestiegen, wer hier schon vor ihr aufregende Stunden mit Lorenzo verbracht haben mochte.
„Ist alles in Ordnung?“, hatte Lorenzo sie besorgt gefragt.
„Sicher, es geht mir sehr gut“, hatte sie eine Spur zu schnell versichert.
Er hatte die Lippen aufeinandergepresst. „Dann hör auf, dir irgendwelche Dinge auszumalen. Noch nie war eine Frau in dieser Wohnung. Ich habe immer viel Wert auf meine Privatsphäre gelegt. Du bist die Einzige, die ich je mit hierhergebracht habe.“ Damit war er gegangen und hatte sich schlafen gelegt.
Am nächsten Morgen hatte er sie geweckt und zärtlich mit ihr geschlafen. Den Abend zuvor hatte keiner von ihnen je wieder erwähnt.
Sie wusste, dass Anspielungen auf seine Vergangenheit von nun an tabu waren. Und auch seine zukünftigen Liebschaften würde sie stillschweigend hinnehmen
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