JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Wert auf deine Gesellschaft.“
Unbeirrt lächelte die Signora. „Ich glaube nicht, dass du für meinen Enkelsohn sprechen solltest. Nicht mehr. Denn du hast versagt. Im Krankenhaus geht die Nachricht um, du könntest keine Kinder bekommen. Oder ist das etwa ein Gerücht?“
Wie gebannt starrte Marisa in Teresas Augen. Wie das Kaninchen vor der Schlange – man weiß, dass man dem Tod ins Auge blickt, und ist dennoch nicht mehr fähig, sich zu retten, dachte sie. Mit einer hohlen Stimme, die nicht ihr zu gehören schien, sagte sie mechanisch: „Nein, es ist kein Gerücht.“
Mit unverhohlener Genugtuung nickte die alte Dame. „Nun, das wird kurzfristig ein harter Schlag für die Santangelis sein. Bis sie den Fehler erkennen, den sie mit dir gemacht haben und die notwendigen Schritte in die Wege leiten.“ Sie seufzte. „Armer Guillermo. Er tut mir fast leid. Diese Verbindung – so lange geplant, so sorgfältig vorbereitet – ist gescheitert. Er und Lorenzo müssen jetzt sehr vorsichtig handeln, damit sie nicht zu herzlos erscheinen, wenn sich die Trennung herumspricht.“
„Wovon sprichst du?“
„Von dir natürlich, Marisa. Lorenzo muss eine andere Frau heiraten. Und wenn er klug ist, wählt er beim nächsten Mal eine willige, fruchtbare Italienerin, die weiß, wo ihr Platz ist.“
„Er wird sich niemals scheiden lassen.“ Wie konnte diese Frau ihr in dieser Situation noch mehr Schmerz zufügen?
„Selbstverständlich nicht. Noch nie hat ein Santangeli sich scheiden lassen“, stimmte Nonna Teresa ihr zu. „Doch es gibt gute Gründe, um die Ehe annullieren zu lassen.“
„Du meinst, er wird mich wegwerfen … wie ein Stück Dreck?“
„Nein, das ist nicht die Art der Santangelis. Er wird sich sehr großzügig zeigen, meine Liebe, sei unbesorgt.“
Schwer atmend nahm Marisa all ihre Kraft zusammen. „Wie kannst du es wagen, so etwas zu sagen. Bitte, geh jetzt.“
Ungerührt blieb die Signora sitzen. „Ich meine es gut mit dir. Nur deshalb spreche ich so offen. Außerdem kann es dir doch nur recht sein, wenn Lorenzo dich verlässt. Hast du nicht selbst gesagt, du wolltest ihn nie heiraten? Wenn ich mich recht entsinne, hat er deine Worte sogar gehört. Jetzt bekommst du deine Freiheit zurück.“
„Du hast mich immer gehasst“, entgegnete Marisa mit vor Zorn bebender Stimme. „Schon meine Mutter war dir als Freundin für deine Tochter nicht gut genug.“
„Das ist wahr“, stimmte Teresa Barzati freimütig zu.
„Eure Familie war weit unter unserem Stand. Eine solche Verbindung kann niemals gut gehen.“ Abrupt stand sie auf. „Mach es nicht noch schlimmer“, sagte sie warnend. „Versuche nicht, Lorenzo an dich zu binden. Er hat dich nie geliebt.“
Ehe Marisa etwas erwidern konnte, war sie gegangen.
Und voller Trauer musste Marisa sich eingestehen, dass sie recht hatte. Die Diagnose der Ärzte bedeutete nicht nur, dass sie niemals ein Kind haben würde – sie läutete auch das Ende ihrer Ehe ein.
Als Marisa Geräusche auf dem Flur hörte, die Lorenzos Kommen ankündigten, setzte sie sich auf. Mühsam versuchte sie, sich zusammenzureißen. Sie würde nicht in seiner Gegenwart weinen, und sie würde ihn auch nicht anflehen, sie nicht zu verlassen.
Nur wenn sie die vergangenen glücklichen Monate mit Lorenzo vergaß, nicht mehr daran dachte, wie nahe sie sich gekommen waren, konnte es ihr gelingen, ihre Würde zu bewahren. Er hatte sie begehrt, zweifellos – doch nicht ein einziges Mal hatte er davon gesprochen, dass er sie liebte. Und nur mit Liebe im Herzen konnte man in guten wie in schlechten Zeiten zueinanderstehen, das wusste sie.
Irgendwie musste sie die Kraft finden, zu gehen und ein Leben ohne ihn zu führen.
Langsam trat er in den Raum, schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, die Lippen hatte er aufeinandergepresst.
Marisa wagte kaum zu atmen. Stumm betete sie, hoffte, dass er zu ihr kommen und sie in seine Arme schließen würde. Doch er blieb reglos stehen.
Stattdessen hörte sie ihre eigene Stimme, die seltsam fremd und fern klang. „Haben die Ärzte dich informiert?“
Wortlos nickte er.
„Es … es tut mir so leid“, stieß sie hervor.
„Mir auch. Vor allem, weil du kein Vertrauen zu mir hattest, sondern alles allein durchstehen wolltest. Warum, Maria Lisa?“
„Ich wollte dich nicht beunruhigen“, erklärte sie mit gesenktem Blick. „Dr. Fabiano meinte, ich bilde mir alles nur ein. Deshalb hatte ich
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