JULIA SOMMERLIEBE Band 21
…
„Kämpfe um ihn“, hatte Ottavia gesagt. Doch es gab keine Garantie, dass sie als Siegerin aus diesem Kampf hervorging. Und ganz sicher wollte sie sich keine billige Schlacht mit einer seiner attraktiven Geliebten liefern.
Sie öffnete die Tür zu ihrem salotto, der hell und warm im Sonnenlicht des Spätnachmittags lag. Seufzend ließ sie sich auf das Sofa im Erker fallen und drehte gedankenverloren ihren Ehering.
Einsam und verletzt – diese Worte von Ottavia gingen ihr nicht aus dem Kopf.
Einsam? Verletzt? Das waren keineswegs Begriffe, die auf den mächtigen Lorenzo Santangeli zutrafen, einen Mann, der sich immer nahm, was er wollte, und für den nur seine eigenen Regeln galten.
Sie ließ sich in die weichen Sofakissen sinken, schloss die Augen und spürte die wärmenden Sonnenstrahlen. Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich entspannt. Vielleicht sollte ich die Nächte lieber hier auf dem Sofa verbringen, statt in dem Bett, das mich immer wieder nur an Lorenzo erinnert, dachte sie traurig.
Kurz darauf schlief sie ein. Sie träumte davon, in einem Feld voller Sonnenblumen zu versinken. Als sie den Kopf hob, um den zarten, flüchtigen Duft der Blumen einzuatmen, glaubte sie zu spüren, wie die Blüten über ihr Haar und ihre Wange strichen …
Im nächsten Moment war das Blumenfeld verschwunden. Sie saß aufrecht und mit weit aufgerissenen Augen und pochendem Herzen auf dem Sofa und fragte sich, was sie geweckt hatte.
In der Ferne hörte sie das Geräusch einer Tür, die leise ins Schloss gezogen wurde.
Das muss Rosalia sein, die wie jeden Tag fragen will, was ich heute Abend essen möchte, dachte sie. Doch ein Blick auf die Armbanduhr sagte ihr, dass es noch zu früh war.
Ob Ottavia nach ihr hatte sehen wollen? Aber sie hätte niemals ohne zu fragen diesen Flügel der Villa betreten, der Lorenzo und Marisa gehörte.
Lorenzo …
Ihr Herz klopfte schneller, und sie erinnerte sich an den leichten, unaufdringlichen Duft, der sich in ihre Träume gemischt hatte. Jetzt wusste sie, warum der Duft ihr so seltsam vertraut vorgekommen war – und so verführerisch. Es war sein Aftershave gewesen.
Das bedeutete, dass er hier war. Er hatte sogar schon nach ihr gesehen und war wieder gegangen, um sie nicht zu stören. War er es gewesen, der sie so sanft berührt hatte?
Hastig stand sie auf, strich ihr Kleid glatt und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.
Barfuß lief sie in ihr Schlafzimmer, doch zu ihrer Enttäuschung war es leer. In dem Moment bemerkte sie, dass die Verbindungstür halb offen stand und jemand in Lorenzos Zimmer geschäftig auf und ab lief.
Mit klopfendem Herzen stieß Marisa die Tür auf und erblickte ihren Mann, der gerade einige Hemden in einem Lederkoffer verstaute.
Zaghaft sagte sie seinen Namen, und er wandte sich unvermittelt um.
„Marisa.“ Sein Tonfall war höflich und unverbindlich. „Entschuldige, wenn ich dich aufgeweckt habe.“
„Das macht nichts, ich habe nur etwas in der Sonne gedöst“, sagte sie hastig. Wie gern wäre sie zu ihm gelaufen, hätte sich in seine Arme geschmiegt und ihm gezeigt, wie sehr sie sich freute, ihn zu sehen. Er sah so gut aus – doch gleichzeitig strahlte er eine solche Unnahbarkeit aus, dass sie es niemals gewagt hätte, ihre Gefühle preiszugeben. Mit aller Kraft riss sie sich zusammen. „Ich hatte heute gar nicht mit dir gerechnet.“
„Das war auch nicht geplant.“ Sorgfältig legte er Hemd für Hemd in den Koffer. „Aber ich muss kurzfristig nach Stockholm und dann weiter nach Brüssel und deshalb brauche ich Garderobe zum Wechseln.“ Er schwieg einen Moment lang. „Keine Sorge. Sobald ich gepackt habe, fahre ich nach Rom.“
„Du meinst … heute Abend?“
„In der nächsten halben Stunde“, verbesserte er sie kühl.
„Aber du bist so lange nicht mehr hier gewesen.“ Ihre Stimme klang beinahe verzweifelt. Sie hätte ihm seine Abwesenheit in Stunden, Minuten, Sekunden nennen können.
„Ich dachte, das wäre dir ganz recht“, gab er zurück.
„Aber … deinem Vater ganz sicher nicht. Er … vermisst dich bestimmt.“
Lorenzo hielt inne und sah sie an. „So? Davon hat er heute Morgen am Telefon nichts erwähnt. Wir telefonieren nämlich täglich.“
Seine Worte versetzten ihr einen Stich. Du wolltest nie mit mir reden. Hast nie eine Nachricht hinterlassen … „Das wusste ich nicht“, gab sie kleinlaut zu.
„Offensichtlich nicht. Auf jeden Fall musst du dir um ihn keine Sorgen machen. Er versteht
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