JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Mädchen träumte ich davon, Ballerina zu werden …“ Urplötzlich brach sie ab. Wem vertraute sie sich da eigentlich an?
„Eine Ballerina?“ Er sah sie ungläubig an und ließ seinen Blick skeptisch über ihre Figur gleiten. Vivian war recht klein und ihre üppigen Rundungen waren in dem schmal geschnittenen Kostüm nicht zu übersehen.
„Es war nur ein kindischer Traum“, wiegelte sie abweisend ab. Aus unerklärlichen Gründen verletzte sie seine kaum verhohlene Belustigung tief.
Er neigte den Kopf zur Seite. „Den Sie mit dem Traum ersetzten, die perfekte Sekretärin zu werden?“
„Für mehr hat es leider nicht gereicht“, erwiderte sie kalt.
In der Schule war sie eher eine Niete gewesen. Aber sie war verantwortungsbewusst, bemüht und sie konnte gut mit Menschen umgehen. Genau mit diesen Worten hatte es ihr Klassenlehrer im Abschlussjahr ihren Eltern gegenüber ausgedrückt. Und waren diese Dinge nicht wichtiger, wenn man glücklich werden wollte, als ein brillanter Kopf zu sein?
Manche Leute hingegen schafften es, alles zu haben … gutes Aussehen mit eingeschlossen. Wie zum Beispiel Janna und ihr jüngerer Bruder Luke, der ein musikalisches Genie war. Oder ihre Mutter und ihr Vater, eine Künstlerin und ein Mathematiker. Nicht, dass ihre Familie ihr je wissentlich das Gefühl vermittelt hätte, sie sei nicht perfekt gewesen. Ganz im Gegenteil. Manchmal gingen sie sogar zu weit in ihren Versuchen, sie davon zu überzeugen, dass sie zur Familie gehörte. Sie gaben ihr das Gefühl, das viel geliebte „besondere“ Mitglied der Familie zu sein. Die Auserwählte sozusagen, weil sie als Kleinkind adoptiert worden war. Die Eltern hatten sich lange erfolglos ein Baby gewünscht. Kurze Zeit nach ihrer Adoption hatte sich dieser Wunsch gleich doppelt erfüllt, erst war Janna geboren worden, einige Jahre später Luke.
„Keine weiteren vereitelten Ziele?“ Seine Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
„Nein.“ Keinen Augenblick zweifelte sie daran, dass er sich vor Lachen ausschütten würde, wenn sie ihm sagen würde, dass es ihr größter Wunsch war, Ehefrau und Mutter zu sein. Denn sie hatte ein herausragendes Talent: Menschen zu lieben – selbst wenn sie es ihr sehr schwer machten. Oder manchmal sogar fast unmöglich.
Sie neigte den Kopf und sah hinunter auf die Dokumente, die auf dem Schreibtisch lagen. Konzentriert legte sie die Papiere akkurat aufeinander, und sie war sich sehr wohl bewusst, dass ihre Sicht wieder getrübt wurde. Nur hatte es dieses Mal nichts mit einer beschlagenen Brille zu tun. Schnell blinzelte sie die Tränen fort, die in ihren Augen aufgestiegen waren.
Plötzlich nahm er ihr die Papiere aus den Händen. „Das hier soll ich unterschreiben?“
„Mhm?“ Aus ihren Gedanken gerissen bemerkte sie die leichte Betonung nicht. „Oh ja.“ Sie musste sich beherrschen. Und dennoch war sie sicher, dass ihr böser Verdacht der Wahrheit entsprach und dass er nun in dramatischer Weise verkünden würde, dass er nicht beabsichtigte, den Vertrag zu unterzeichnen.
Vier Monate zuvor hatte Nicholas Rose den Vertrag zum Verkauf seines Anwesens in Auckland unterzeichnet, allerdings mit einer Vorbehaltsklausel. Sein Anwalt hatte steuerliche Gründe dafür genannt, dass sein Mandant den Rechtsanspruch bis Ende April zu behalten wünschte. Peter war glücklich gewesen über den verlängerten Termin bis zur Abwicklung. Es hatte ihm Zeit verschafft, den anderen Grundstücken nachzujagen, die ebenfalls Teil des lukrativen Vertrages waren, den Marvel-Mitchell mit einem Unternehmen geschlossen hatte, das Gewerbeimmobilien erschloss und veräußerte. Nicholas’ Eigentum war von entscheidender Bedeutung gewesen. Denn es bildete das Eckgrundstück an der Front des geplanten Einkaufszentrums und bot die einzige Zufahrtsstraße zum Gesamtareal. Da er hierfür nun die Zusage hatte, konnte Peter sein Angebot für ein, zwei andere Grundstücke erhöhen. Auch wenn die Eigentümer mit ihren Forderungen deutlich über dem aktuellen Marktwert lagen.
Dann hatte Nicholas Rose den Termin zur Unterzeichnung des Einigungsvertrages in Auckland abgesagt. Er hatte sich dabei auf eine Klausel in dem vorläufigen Vertrag berufen, wonach der Verkäufer das Recht hatte, Ort und Zeit zu bestimmen. Als Janna krank geworden war, wollte Vivian nur helfen. Und entdeckte dabei zwei fürchterliche Wahrheiten: erstens, dass Nicholas Rose möglicherweise ein unerbittlicher Feind war und zweitens, dass ihr hübscher Traum von
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