JULIA SOMMERLIEBE Band 21
Nacht in dem Motel, wo sie einen Stuhl unter den Türknauf geklemmt hatte. „Ja, sehr“, gab sie leise zu.
„Arme Vivian, kein Wunder, dass Sie so bleich und angespannt aussehen.“ Lässig strich er mit dem Daumen über ihre Wange. Ein Schlag schoss durch ihren wie elektrisiert wirkenden Körper und reizte ihre Sinne so sehr, dass sie beinahe einen Satz gemacht hätte.
Überrascht sah er sie an. Sein Blick fiel auf ihren weichen, vor Schreck geöffneten Mund. Dann glitt er weiter zu dem züchtigen Ausschnitt ihrer Bluse, der nur ein kleines, dreieckiges Stückchen dicht mit Sommersprossen bedeckter Haut enthüllte. Ein Hauch von Spitze zeichnete sich unter der glatten Seide ab. Ihre üppige Brust hob und senkte sich bebend.
Mit seinem flüchtigen und dennoch alles umfassenden Blick schien er sie nackt auszuziehen und Besitz von ihr zu nehmen, dachte sie.
„Kommen Sie mit in die Küche“, sagte er ruhig. „Ich habe eine Idee, wie Sie sich entspannen können.“
Er ließ sie vorangehen.
Unbeholfen setzte Vivian sich in Bewegung, aufgewühlt von der bislang erotischsten Erfahrung ihres Lebens. Dabei hatte er sie doch kaum berührt! Sie fühlte sich verwirrt, ein wenig ängstlich und doch schmerzlich lebendig. Niemals zuvor war sie sich des fraulichen Schwungs ihrer Hüften so sehr bewusst gewesen. Oder wie es sich anfühlte, dass ihre Beine unter dem Rock aneinander streiften. Ein erregender Schauer ergriff ihren Körper. Streichelte er ihre Haut gerade mit diesem alles durchdringenden Blick? Stellte er sich dabei vor, wie sie aussah, wenn sie sich unbekleidet vor ihm räkelte?
Im halbdunklen Flur errötete Vivian und schalt sich für ihre gefährlichen Fantasien. Entweder sie bildete sich das alles nur ein oder aber Nicholas Rose hatte sich dafür entschieden, ihr eine besondere Falle zu stellen. Eine Falle in Form einer sehr persönlichen Erniedrigung. Er konnte sich schließlich nicht ernsthaft zu ihr hingezogen fühlen! Nicht ein Mann, der trotz seiner offenkundigen körperlichen Schwächen eine derart animalische Anziehungskraft besaß. Eine Attraktivität, die es ihm höchstwahrscheinlich erlaubte, sich die schönsten Frauen auszusuchen. Er war ein Mann, der allem Anschein nach entschlossen war, Vergeltung zu üben, rief sie sich in Erinnerung.
Die Küche war klein und kompakt. Man spürte sofort, dass hier jemand herrschte, der gerne kochte. Die Arbeitsplatte war aus Holz. Das Alter hatte ihr eine glatte Patina verliehen, die einen spannenden Gegensatz bildete zu der Mikrowelle und den hochmodernen Küchengeräten. Im abgetrennten Essbereich standen ein gut gescheuerter Tisch aus Kauri-Holz und drei Stühle. Es war offensichtlich, dass Nowhere Island normalerweise nicht zur Bewirtung von Geschäftspartnern diente.
Der Tisch war mit Platzsets aus Schilf und schwerem Silberbesteck eingedeckt. Vivian setzte sich und Nicholas servierte ihr einen Teller mit einer dampfenden, cremigen und wohlriechenden Suppe. Nach zwei Löffeln des köstlichen Gerichts entspannte sich ihr nervöser Magen etwas. Nicholas, der aufgebackene Brötchen aus dem Ofen holen wollte, fluchte leise, als er sich die Finger an der heißen Kruste verbrannte. Er drapierte die knusprigen Brötchen in einen Korb, stellte ihn auf den Tisch und setzte sich.
Das Mittel zur Entspannung, das er Vivian versprochen hatte, entpuppte sich als Champagner. Nicht irgendein zweitklassiger perlender Schaumwein, sondern hochwertiger Dom Perignon. Vivian sah ihm dabei zu, wie er geschickt die gekühlte Flasche öffnete. Ihren gemurmelten Protest, sie trinke tagsüber keinen Alkohol, weil er sie schläfrig mache, ignorierte er einfach. Er stand auf, wandte ihr den Rücken zu und füllte zwei schmale Kelche aus geschliffenem Kristall, die er auf dem Tresen bereitgestellt hatte.
Damit ihr der Alkohol nicht zu schnell zu Kopf stieg, aß Vivian hastig noch etwas Suppe, ehe sie schicksalsergeben einen der Kelche annahm, den er ihr mit einer überschwänglichen Geste reichte.
„Haben Sie jemals einen so guten Champagner gekostet?“, fragte er und setzte sich wieder auf seinen Platz, nachdem er sich etwas Suppe genommen hatte. Er machte sich mit einem Appetit darüber her, der sicherlich nicht gespielt sein konnte.
„Aber ja, natürlich!“, entgegnete sie trocken. „Ich lasse ihn mir jeden Morgen zum Frühstück über meine Cornflakes gießen.“
„Sie müssen ein beschwingter Frühstücksbegleiter sein … Wenn auch ein teurerer, als die meisten
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