Julia Sommerliebe Band 22
sie würde damit leben können, dass er sie nur aus Pflichtgefühl heiratete, da sie wusste, dass Rafik nur dann an sich selbst dachte, wenn er sich einreden konnte, dass er es in erster Linie für das Wohl anderer Menschen tat.
„Gut. Wenn du es dir nicht anders überlegt hast, werde ich dich heiraten.“
Beinahe hoffte Gabby, sie könnte tatsächlich tun, was er sich wünschte. Aber konnte sie das wirklich? Ein Kind sollte aus Liebe entstehen. Und ihr Kind würde die erdrückende Last zu tragen haben, die schon Rafik sein ganzes Leben lang mit sich herumgeschleppt hatte. Ihr Kind würde keinen Vater haben, der für es sorgte und es großzog.
Er seufzte erleichtert. „Das ist eine vernünftige Entscheidung.“
Sie lachte, und er sah sie befremdet an. „Für mich fühlt es sich nicht so an. Und ich habe eine Bedingung.“ Sie wollte sagen: „Dass du mich liebst“, aber sie schwieg stattdessen.
Es sah sie misstrauisch an. „Und die wäre?“
„Niemand darf davon wissen.“
„Wenn du schwanger wirst?“
Ihr schlechtes Gewissen versetzte Gabby einen Stich, doch sie sah ihm fest ins Gesicht. „Das wird vermutlich nicht passieren“, sagte sie ruhig. Sie würde schon dafür sorgen. Doch solange Rafik die Hoffnung hatte, dass sie schwanger werden könnte, würde er vielleicht ein bisschen von dem Glück bekommen, das er verdiente.
Anderenfalls würde er die kostbare Zeit, die ihm blieb, damit verbringen, seinen Bruder darauf vorzubereiten, die Rolle als Thronfolger zu übernehmen – ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Manche Menschen waren tatsächlich unersetzlich, und Rafik war einer davon.
„Wie lautet deine Bedingung?
„Niemand soll erfahren, dass wir verheiratet sind.“
So könnte sie danach … Jetzt musste sie vorausdenken. Sie überwand sich und dachte an das, was sie eigentlich zu verdrängen suchte – den Verlust Rafiks. Danach könnte sie einfach nach Hause zurückkehren. Niemand brauchte zu erfahren, dass sie verheiratet gewesen waren. Für sie gab es durch seinen Tod nichts zu gewinnen. Wenn der Zeitpunkt käme, würde sie sich einfach nur in ihrer Trauer um den geliebten Mann verkriechen.
Sie verdrängte ihre aufkommende Verzweiflung. Zum Trauern würde sie später noch genügend Zeit haben. Jetzt war ihr erstes Ziel, Rafik glücklich zu machen.
Rafik schüttelte den Kopf. Er sah unzufrieden aus. „Aber wenn wir als Liebespaar leben, wird mein Volk dich für meine Geliebte halten“, sagte er. Offensichtlich missfiel ihm diese Aussicht.
Gabby zuckte mit den Schultern. „Na und?“
„Aber sie würden …“
„Du hattest doch schon mehrere Geliebte.“ An dieses Thema wurde sie nicht gern erinnert.
„Ich hatte einige Liebhaberinnen.“
„Und, waren sie manchmal hier?“
„Ja“, räumte er ein, „aber nur in meinen privaten Gemächern. Mein Vater hat keine Einzige von ihnen zu Gesicht bekommen. Und sie waren nie bei offiziellen Terminen dabei.“
„Oh, ich eigne mich gar nicht für offizielle Termine – es macht also keinen Unterschied.“
„Doch, es macht einen riesigen Unterschied. Du wirst meine Frau sein.“
„Willst du damit sagen, dass ich als deine Geliebte nicht mit Respekt behandelt werden würde?“ Gabby wusste, dass sein Volk es nicht wagen würde, sie anders als respektvoll zu behandeln. Allerdings war es eine Gesellschaft, in der es noch immer einen Unterschied machte, ob man die Geliebte oder die Ehefrau eines Mannes war.
„Natürlich nicht, aber …“
„Kein Aber …“, sagte sie ruhig. „Das ist gegen die Vereinbarung. Ich möchte eine geheime, dezente standesamtliche Trauung.“
Er wirkte zwar nicht gerade glücklich über die Antwort, willigte jedoch ein, indem er gestand: „Meine Hochzeit würde ein regelrechter Staatsakt sein …“
„Und den könnte man nicht mal eben im Handumdrehen planen.“
„Das stimmt“, gab er zu.
„Außerdem musste du jetzt deine Kräfte sparen.“
„Um unser Kind zu zeugen.“
Gabby stimmte ihm zu. Sie hatte zwar Schuldgefühle, aber den Luxus eines reinen Gewissens konnte sie sich nicht leisten. Wenn eine Lüge erforderlich war, um Rafik glücklich zu machen, dann musste sie eben lügen. Um dieses Ziel zu erreichen, würde sie noch viel schlimmere Dinge tun.
12. KAPITEL
Am folgenden Tag fand die standesamtliche Trauung im Nachbarland statt. Anschließend flogen Gabby und Rafik sofort zurück und waren wieder im Palast, bevor die Sonne unterging.
Während ihrer Abwesenheit hatte man Gabbys
Weitere Kostenlose Bücher