Julia Sommerliebe Band 22
darf ich den Klüver übernehmen?“, fragte Lucy und zeigte nach vorn.
Als er in ihr von der Sonne angestrahltes Gesicht sah, wurde ihm mit einem Mal bewusst, wie gern er mit ihr zusammen war, obwohl er sie doch kaum kannte. Sein Mund verzog sich zu einem glücklichen Lächeln, als er die Leine löste, die den Klüver befestigte.
Lucy wirkte im Umgang mit dem Segel zunächst unsicher, aber schon bald arbeiteten sie harmonisch im Team, und das Boot glitt rasch dahin … ein weiteres Zeichen der außergewöhnlich starken Übereinstimmung zwischen ihnen.
Kurz darauf zeigte Jason auf eine kleine namenlose und unbewohnte Insel. Die Felsen und das flache Wasser schreckten die meisten Segler ab, aber das Boot bewältigte mühelos sämtliche Hindernisse, und schon bald erreichten sie das sandige Eiland, auf dem nur eine Handvoll Bäume standen.
„Es ist wunderschön hier“, sagte Lucy und stieg ins knietiefe Wasser, um ans Ufer zu waten.
„Und es gibt jede Menge Muscheln“, fügte Jason hinzu und bückte sich, um eine besonders schöne Wellhornschnecke aufzusammeln.
„Stimmt“, sagte Lucy, als wäre der Zweck ihres Ausflugs ihr erst jetzt wieder bewusst geworden.
„Um unsere Erfolgschancen zu verbessern“, sagte Jason und zog ein Stück Papier aus der Hosentasche, „habe ich ein Foto mitgebracht, um mir das Aussehen der Muschel genau einzuprägen.“ Allerdings änderte sich das Bild in seinem Kopf schlagartig, als Lucy sich das T-Shirt über den Kopf streifte und ein winziges knallgelbes Bikinioberteil über ihren üppigen Brüsten enthüllte.
Jason räusperte sich. „Warum fangen wir nicht gleich da drüben an?“
„Sieht gut aus“, antwortete Lucy.
Kann man wohl sagen! Langsam ließ Jason die in seiner Lunge angestaute Luft entweichen und begann damit, den muschelübersäten Sand nach der braunfleckigen Junonia abzusuchen.
„Wie lange sind Sie eigentlich schon auf der Suche?“, fragte er.
Lucinda fiel gerade noch rechtzeitig ein, was er meinte. Die Junonia natürlich. „Was? Ach so … ich kann mich nicht erinnern.“
„Steht diese Muschel auf der Liste mit Sachen, die Sie in Ihrem Leben unbedingt machen wollen?“
„So ähnlich.“
„Und was sonst noch?“
Lucinda spitzte die Lippen und dachte nach – es war eine Ewigkeit her, dass sie sich überlegt hatte, was sie mit ihrem Leben anfangen wollte. Nach der Scheidung war ihre finanzielle Situation das dringlichste Problem gewesen. Um ihre Lizenz als Privatdetektivin zu bekommen, hatte sie viele Stunden pauken, ein umfassendes Examen ablegen und praktische Erfahrungen bei einem anderen Privatdetektiv sammeln müssen. Danach hatte sie ihre ganze Zeit in ihren Job und den Aufbau ihres guten Rufs gesteckt.
„Beruflicher Erfolg, nehme ich an.“
„Der ist wichtig, aber was ist mit Ihrem Privatleben?“
„Ich arbeite sehr viel“, antwortete Lucy, die plötzlich das Gefühl hatte, sich verteidigen zu müssen. „Da habe ich kaum Zeit für Beziehungen.“
„Ich weiß, was Sie meinen. Haben Sie Familie in Orlando?“
„Meine drei Brüder leben über das ganze Land verstreut, aber meine Eltern sind noch da. Sie sind beide im Ruhestand.“
„Segelt Ihr Vater noch?“
Lucinda empfand plötzlich ein nagendes Schuldgefühl wegen der ihr inzwischen völlig unnötig erscheinenden Lüge. „Ach, nein. Aber er angelt gern.“ Auf einmal wurde ihr bewusst, dass ihr Vater Jason sehr gefallen würde, und umgekehrt auch. „Was ist mit Ihrer Familie?“
„Meine Eltern sind beide tot.“
Lucinda konnte sich nicht erinnern, das in seiner Akte gelesen zu haben. „Oh. Das tut mir leid.“
Er lächelte sie beschwichtigend an. „Sie sind gestorben, als ich aufs College ging. Die erste Zeit war hart, aber inzwischen habe ich gelernt, damit zu leben.“
„Haben Sie Geschwister?“
„Nein.“
Lucinda empfand plötzlich Mitleid mit ihm. Hier bot sich gerade eine willkommene Möglichkeit, das Thema seiner Freundschaft mit Michael Gaines anzuschneiden, aber irgendetwas hielt sie davon ab. Stattdessen fragte sie: „Was steht eigentlich auf Ihrer Liste, Jason McCormick? Oder haben Sie schon alles erreicht, was Sie sich vorgenommen haben?“
Er lachte. „Nicht ganz. Ich habe ehrlich gesagt noch nicht viel darüber nachgedacht. Ich würde gern mehr reisen, vermute ich. Mich vielleicht auch mehr für gute Zwecke engagieren, wenn sich die Chance bietet.“
„Und was ist mit einer eigenen Familie?“, fragte sie völlig zusammenhanglos.
Er wurde
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