Julia Sommerliebe Band 22
rasch. „Ich wollte Sie nicht kritisieren.“
„Nein, ist schon okay. Sie haben ja recht. Es ist einfach, nur schöne Reden zu schwingen.“
Lucinda war wütend auf sich, weil sie zu viel von ihrer persönlichen Meinung preisgegeben hatte. Sie überlegte, wie sie das Thema am geschicktesten wieder auf Michael Gaines lenken konnte. „Gestern Abend habe ich eine Sendung im Fernsehen gesehen, bei der ich sofort an Ihren Freund denken musste, den entlaufenen Bräutigam. Das ist wirklich eine faszinierende Geschichte.“
Jason gab keine Antwort.
„Glauben Sie, dass er und seine Verlobte wieder zusammenkommen?“
„Nicht solange Michael nicht aus seinem Versteck kommt und sich seinen Problemen stellt.“
Lucinda knuffte ihn spielerisch. „Kommen Sie schon, Sie wissen doch, wo er ist, oder?“
Er zuckte die Achseln. „Vielleicht.“
„Spucken Sie’s aus – ist er mit einer anderen durchgebrannt?“
„Nein.“
„Nach Hause zu Mama zurückgekehrt?“
„Nein.“
„Zum Glücksspiel nach Vegas weitergezogen?“
Jason musste lachen. „Aber nein.“ Dann legte er den Kopf schief und sah sie an. „Sie sind ja ganz schön neugierig.“
Lucinda erschrak, hatte sich jedoch einen halben Herzschlag später wieder gefangen. „Ich finde es einfach nur interessant, wie Menschen reagieren, wenn sie mit der Ehe konfrontiert werden – manche flippen geradezu aus vor Angst.“
Jason presste die Lippen zusammen und schlug mit seinem Stock in den Sand. „Da haben Sie wohl recht. Waren Sie je verheiratet?“
„Einmal“, antwortete sie. Dieser Teil der Wahrheit konnte schließlich nicht schaden.
„Und?“
„War nicht mein Ding. Wenn man die Scheidungsrate unseres Landes betrachtet, teilen zwei Drittel der Bevölkerung meine Meinung.“
„Also sollte man es gar nicht erst versuchen, nur weil die Erfolgsrate gering ist?“
Lucinda hob abwehrend die Hand. „Ich sage ja nur, dass Ihr Freund einen guten Grund dafür gehabt haben muss, vor seiner Hochzeit davonzulaufen und sich zu verstecken.“
Wieder gab Jason keine Antwort und ging weiter, den Blick noch immer suchend auf den Boden gerichtet. „Ich glaube, es wird Zeit für eine Mittagspause“, sagte er. „Danach muss ich zurück.“
„Um die geheimnisvolle Sache zu erledigen?“, fragte sie.
Er nickte, schwieg jedoch noch immer. Trotz ihrer Bemühungen, das Gespräch am Laufen zu halten, blieb er während des ganzen Essens über nachdenklicher Stimmung. Sie überredete ihn dazu, die Reste seines Sandwiches mit den Seemöwen zu teilen, hatte jedoch das Gefühl, dass er eine Art Mauer um sich herum errichtet hatte.
Er blieb den ganzen Rückweg über einsilbig und überließ sie ihren Erinnerungen an das Gefühl seiner Rückenmuskeln unter ihren Händen oder daran, wie er die Schleife ihres Bikinioberteils mit den Zähnen gepackt und ihre Brüste liebkost hatte.
„Tut mir leid, dass wir keine Junonia gefunden haben“, sagte er, als sie das Tandem zurückgaben.
Lucinda winkte lässig ab. „Vielleicht habe ich morgen früh ja mehr Glück.“
„Wie lange bleiben Sie eigentlich noch?“, fragte er fast widerwillig.
Lucinda zuckte mit den Schultern. „Ich habe noch ein paar Tage Urlaub. Ich bleibe so lange, bis ich gefunden habe, wonach ich suche.“
Jason nickte geistesabwesend. „Morgen früh soll es übrigens regnen.“
„Dann suche ich eben nachmittags.“ Sie wollte ihm eine Chance geben, ihr wieder über den Weg zu laufen. Vielleicht kam sie ihm dann ja endlich nahe genug, dass er sich ihr anvertraute.
„Möchten Sie morgen Nachmittag vielleicht mit mir segeln gehen?“, fragte Jason unvermittelt. „Ich kenne eine kleine Insel nicht weit von hier, deren Strände noch nicht so abgegrast sind. Wir könnten ja mal dort nach der Junonia suchen.“
„Klingt gut“, antwortete Lucinda erleichtert. „Wo und wann treffen wir uns?“
„Um eins am Jachthafen.“
Sie lächelte. „Ich werde da sein. Danke für Ihre Hilfsbereitschaft, Jason.“
Sein ernster Blick weckte wieder Schuldgefühle in ihr. „Kein Problem“, antwortete er. „Bis morgen dann.“
Lucinda versuchte, nichts in sein merkwürdiges Verhalten hineinzuinterpretieren, und sagte sich stattdessen, dass sie großes Glück hatte, morgen noch eine weitere Chance zu bekommen. Ein Abstecher in die öffentliche Bibliothek für einen Segel-Crashkurs konnte dabei nicht schaden.
Stundenlang brütete sie über Segelbüchern und sah sich eine DVD über Segeltechniken an, obwohl
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