Julia Sommerliebe Band 22
misstrauisch.
„Man bekommt im Leben nichts geschenkt, Miss Barton. Übrigens sollten wir langsam mal etwas essen. Warten Sie …“
„Nein!“, rief Gabby und packte ihn am Arm.
Rafik drehte sich nach ihr um.
Als sie spürte, wie sie tiefrot wurde, zog sie die Hand hastig weg. Sie nahm es ihm übel, dass er mit dem Zucken einer Braue aus einer harmlosen Berührung etwas so Kompliziertes machen konnte.
„Ich möchte nichts essen, ich will …“ Ich will, dass meine Beine mir wieder gehorchen, damit ich wegrennen kann. Irgendwohin, wo ich mich nicht mit jemandem mit gesprenkelten Augen herumschlagen muss, der mich nervös macht.
Im nächsten Augenblick schämte sie sich für ihren Egoismus. Hier ging es um Paul. Dieser Mann konnte ihn retten, und was tat sie? Anstatt die Einladung anzunehmen, machte sie einen Machtkampf daraus. Es würde sie nicht umbringen, sich dem Mann gegenüber zivilisiert zu benehmen.
„Trotzdem werden Sie etwas essen.“
Sie biss sich auf die Lippe. Es fiel ihr nicht leicht, sich zivilisiert zu benehmen, solange er sie weiterhin derartig bevormundete!
„Die Entscheidung, vor die ich Sie stellen werde, sollten Sie nicht in Ihrem erschöpften Zustand treffen.“
„Ich bin nicht erschöpft.“ Selbst beim Sprechen spürte sie, wie ihre Beine zitterten. Außerdem konnte sie keinen klaren Gedanken fassen.
„Nein?“ Rafik sah sie prüfend an. „Wie lange ist es denn her, dass Sie zuletzt geschlafen haben? Und seit wann haben Sie nichts mehr gegessen?“
Gabby war gar nicht aufgefallen, wie lange sie weder geschlafen noch gegessen hatte, bevor er das Thema angeschnitten hatte. Sobald sich ihr Adrenalinspiegel einigermaßen normalisiert hätte, würde sie wohl kaum noch verhandeln können. Essen war wahrscheinlich keine schlechte Idee – und Kaffee vermutlich eine noch bessere.
„Oder wann haben Sie zuletzt gebadet?“
Beleidigt sog Gabby Luft ein. „Wollen Sie damit sagen, dass ich schlecht rieche?“
Rafik erinnerte sich an den blumigen weiblichen Duft, der ihm in die Nase gestiegen war, als er sie in den Armen gehalten hatte, und unwillkürlich überkam ihn wieder die Begierde. Vor seinem inneren Auge sah er Gabby neben sich liegen, die Arme um ihn geschlungen und das lange blonde Haar auf dem Kissen ausgebreitet.
Das Bild war so unglaublich präsent, dass es ihn wie in einem Strudel aus dem Zimmer und der Wirklichkeit fortriss.
Gabby glaubte von sich, dass sie nicht gerade eine Schönheit war. Trotzdem nahm sie Rafik die Bemerkung übel, denn im Vergleich zu ihm kam sie sich abgerissen und hässlich vor.
„Das müssen Sie gerade sagen“, gab sie gereizt zurück und betrachtete stirnrunzelnd die tiefen Furchen in seinem markanten Gesicht. „Wann haben Sie denn das letzte Mal richtig ausgeschlafen?“ Wie ungerecht, dass er trotz seines Schlafmangels noch so unglaublich gut aussieht, dachte sie mit einem Blick auf seine geschwungene Oberlippe.
Er hörte nicht auf, sie anzustarren, und ihr herausfordernder Gesichtsausdruck wich einem verwunderten Blick. Seine Stirn begann zu glänzen, und sein Blick war seltsam leer.
„Geht es Ihnen nicht gut?“
Rafik, der sonst so stolz auf seine Selbstbeherrschung war, fühlte sich ertappt. Er reagierte plötzlich wie ein verklemmter Teenager, und dieses Verhalten schockierte ihn. „Doch, mir geht es gut.“
„Wenn Sie meinen …“ Gabby versuchte, ihre Skepsis nicht zu verbergen. „Wenn Sie mich fragen, sind Sie hier derjenige, der dringend einmal wieder gut essen sollte.“
Nicht die Bemerkung an sich verblüffte Rafik, sondern die Person, von der sie kam. Sein Gewichtsverlust war selbst von den ihm am nächsten stehenden Menschen nicht bemerkt worden.
Seltsam, dass eine Wildfremde das feststellte, was allen anderen entgangen war und was er selbst nicht hatte wahrhaben wollen. Wäre er nur …
Er schüttelte den Kopf. Das führte zu nichts. Aber das erstaunliche Wahrnehmungsvermögen von Gabby machte sie umso geeigneter für die Rolle, die er ihr zugedacht hatte.
„Ganz egal, wer Sie sind, auf die Dauer schadet es jedem, sich zu überfordern“, bemerkte sie ungerührt, obwohl sie wusste, dass man den Kronprinzen von Zantara nicht zu tadeln hatte.
„Mein Leben ist eine einzige lange Party“, erwiderte er spöttisch.
Sicherlich eine Party mit vielen Frauen – anziehenden, schönen Frauen. Gabby zog eine Schnute. „Von mir aus können Sie feiern, so viel Sie wollen“, sagte sie schulterzuckend. „Was weiß
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