Julia Sommerliebe Band 22
Zähne zu einem wölfischen Grinsen, das Gabby skrupellos erschien. „Ich hoffe, dass es nicht nötig sein wird.“
„Weil er sich auf der Stelle in mich verliebt, sobald er mich erblickt?“, fragte Gabby spöttisch.
Anstatt zu lachen, musterte Rafik sie von Kopf bis Fuß mit dem Blick.
„Das wäre zumindest eine Möglichkeit.“ Eine, die ihn, wenn auch nicht mit Freude, doch zumindest mit einer gewissen Genugtuung erfüllen sollte. Doch Rafik beschlich ein vages Gefühl der Unzufriedenheit.
Sie verzog den Mund zu einer Grimasse. „Stimmt, das könnte passieren.“ Jetzt wusste sie, dass er sich über sie lustig machte, und unter seinem starren Blick wurde sie nervös.
„Sie sollten aufhören, an den Nägeln zu kauen.“
„Ich kaue nicht …“ Sie hielt inne und merkte plötzlich, dass sie einen Finger in den Mund gesteckt hatte. „Sehen Sie? Mit mir kann man sich eben nicht sehen lassen.“
„Sicherlich können Sie ganz reizend sein, wenn Sie es wollen.“ Bei dem Gedanken daran, dass sie sich seinem Bruder gegenüber reizend zeigen sollte, verwandelte sich seine leichte Unzufriedenheit in Ärger. „Mein Bruder ist nicht nur wesentlich freundlicher als ich …“
„… was kein großes Kunststück ist!“, unterbrach sie ihn.
„Er ist außerdem recht … formbar.“
„Soll das heißen, dass er mich heiraten wird, weil Sie es ihm sagen?“
„So rigoros werde ich nicht vorgehen. Außerdem scheinen Sie sich zu unterschätzen.“
„Sie haben wohl gar keine Skrupel, was?“
Sein spöttisches Lächeln wich einem unversöhnlichen Blick. „Ich habe keine Zeit für Skrupel, Gabriella. Sie und ich, wir folgen einem Prinzip, das den meisten Menschen verschlossen bleibt.“
„Und das wäre?“
„Verpflichtung. Wie viele Schwestern hätten das getan, was Sie auf sich genommen haben, um Ihren Bruder vor den Folgen seines eigenen verantwortungslosen Handelns zu retten? Sie sind eine fähige, entschlossene und starke Frau. Nie könnten Sie einen Mann heiraten, der ebenfalls stark ist.“
„Sie meinen, einen Mann wie Sie?“
Rafik sah sie erstaunt an. „Sie und ich?“, sagte er, den Blick auf ihrer eigensinnig gewölbten Oberlippe ruhend. Er lachte höhnisch und schüttelte den Kopf. „Das wäre eine Katastrophe!“
Obwohl seine Reaktion sie ärgerte, musste Gabby sich eingestehen, dass er wohl recht hatte. „Es wäre wahrscheinlich ein regelrechter Frontalzusammenstoß“, gab sie zu und dachte an den Kuss. Das war ein ziemlicher Zusammenstoß gewesen.
„Heutzutage denkt man ja, die Ehe ist eine Gemeinschaft von Gleichen.“
„Und – ist sie das nicht?“, fragte Gabby. Sie fand, dass alles, was er sagte, verriet, dass der angeblich so fortschrittliche Prinz in Wirklichkeit mittelalterliche Vorstellungen hatte.
„Einer von beiden muss die Führerrolle übernehmen.“
„Sie meinen: Einer bestimmt, und der andere gehorcht?“ Keine Frage, welchen Part er übernehmen würde. Aber dass Rafik auch sie so einschätzte, ärgerte sie.
„Ich meine jemanden, der in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen und die Folgen auf sich zu nehmen, und der gewillt ist, zugunsten seiner Verpflichtungen persönliche Wünsche zurückzustellen.“
Gabby war fasziniert von diesem Einblick in seine Denkweise. „Haben Sie das getan?“ Sie fragte sich, welche Wünsche er zugunsten der Pflicht zurückgestellt haben mochte. Eine Frau?
Sie schüttelte den Kopf und lachte bitter. „Entschuldigen Sie bitte – das war eine dumme Frage. Sie tun es ja immer noch. Offenbar wissen Sie nicht, was ich meine, oder?“, fragte sie und sah ihm prüfend ins Gesicht. „Die meisten Menschen, die wüssten, dass sie nur noch wenige Wochen zu leben hätten, würden versuchen, all das zu verwirklichen, was sie sich schon immer gewünscht hatten.“
„Ich habe ein privilegiertes Leben geführt und konnte Dinge tun, von denen andere Menschen nur träumen können.“
Gabby wusste, dass sie eigentlich sich selbst bemitleiden sollte, doch stattdessen hatte sie Mitleid mit ihm. „Ein solches Leben, wie ich es nun führen soll?“, fragte sie mit tränenerstickter Stimme. Schwer lastete die Hilflosigkeit auf ihrer Brust.
Rafik weigerte sich, das Elend in ihrer Stimme wahrzuhaben, und redete sich stattdessen ein, dass er ihr ein Leben anbot, um das sie viele andere Menschen beneiden würden. Seine erste Pflicht war es, für die Zukunft und die Sicherheit seines Landes zu sorgen. „Sie haben die Wahl.“
Voller Wut sah sie
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