Julia Sommerliebe Band 22
ihn an und schüttelte den Kopf. „Sie wissen ganz genau, dass ich keine Wahl habe.“
Als ihre Blicke sich trafen, bekam er Schuldgefühle, die er schnell verdrängte. Wahrscheinlich war es besser, wenn er nicht nur körperlichen, sondern auch emotionalen Abstand zu ihr wahrte. Mitgefühl würde womöglich Probleme verursachen. „Man hat immer eine Wahl. Ich zwinge Sie zu nichts, Gabriella.“
Sie hielt sich die Ohren zu. „Würden Sie bitte aufhören, mich so zu nennen?“, rief sie.
„Ist das nicht Ihr Name?“
„Nicht so, wie Sie es sagen. Gabriella! “, versuchte sie ihn nachzuäffen. „Ich werde Gabby genannt – einfach nur Gabby. Schließlich bin ich keine Königin. Und wenn ich heirate, will ich nicht die Aufpasserin für meinen Ehemann spielen.“
Rafik hob die Brauen. „Träumen Sie vielleicht davon, dominiert zu werden?“
Zornesröte stieg ihr ins Gesicht – oder lag es an dem erotischen Bild, das seine Äußerung in ihr ausgelöst hatte?
„Nein, ich träume davon, geliebt und geachtet zu werden!“, rief sie mit zitternder Stimme. Normalerweise hatte sie keine erotischen Fantasien, in denen sie nackt unter einem Mann lag, dessen Haut wie geölte Seide glänzte.
Wäre sie sich nicht absolut sicher gewesen, dass er unfähig zu solchen Regungen war, dann hätte sie eben fast geglaubt, einen Anflug von schlechtem Gewissen in seinen Zügen gesehen zu haben.
„Im Grunde genommen ist mein Bruder ein guter Mensch.“
„Wenn er nichts mit Ihnen gemein hat, wäre das ja immerhin schon etwas“, antwortete sie und sah Rafik geringschätzig an. „Also, wie soll das laufen? Wollen Sie ihn ebenfalls erpressen?“, fragte sie und täuschte Neugierde vor, während sich sein Gesicht verfinsterte. „Werden Sie auf die Karte mit dem letzten Wunsch setzen?“
Kaum waren ihr die Worte über die Lippen gekommen, da wünschte sie auch schon, sie hätte nichts gesagt. Als sie sah, wie er zurückwich, fühlte sie sich noch schlechter.
Sie versuchte, ihre feindselige Haltung beizubehalten, doch bei dem Gedanken daran, dass dieser Mann in der Blüte seiner Jahre sterben sollte, krampfte sich ihr Herz zusammen. Nie zuvor hatte Gabby jemanden getroffen, der so lebendig war wie Rafik. Es war ihr unmöglich, ihn anzusehen und zu glauben, dass er sterben würde.
Tränen schossen ihr in die Augen und rannen ihre Wangen hinunter. Sie biss sich auf die Lippe.
Ihre stumme Trauer missdeutend, machte Rafik einen Schritt auf sie zu und streckte ihr eine Hand entgegen.
Gabby schnäuzte sich und wich zurück. Dabei wies sie ihn mit einer Hand ab. „Ich brauche keine Schulter, an der ich mich ausweinen kann – und am allerwenigsten Ihre!“, sagte sie patzig. „Seien wir doch mal ehrlich – es tut Ihnen nicht im Geringsten leid. Wenn Ihre Gewissensbisse und Ihr Mitgefühl echt wären, wenn Ihnen außer Ihrer Pflicht und Ihrem Land nicht alles egal wäre, würden Sie das nicht tun.“
„Wir befinden uns beide in einer Situation, in der wir lieber nicht wären, Gabriella. Ich fordere Folgendes von Ihnen: Treffen Sie sich mit meinem Bruder. Momentan ist er außer Landes, aber in zwei Tagen sollte er wieder hier sein.“
„Nur treffen?“
„Betrachten Sie es als ein erstes Date.“
„Aber Sie erwarten, dass es ein weiteres Treffen geben wird.“
„Ich will Ihnen nichts vormachen, Gabriella. Ich habe Ihnen klar gesagt, was ich mir wünsche. Mein Bruder braucht jemanden, der ihm Rückhalt gibt, und Sie sind eine starke, patente Frau.“
Wäre sie tatsächlich so patent gewesen, wie er sagte, würde ihr sicherlich etwas Besseres einfallen, um ihren Bruder freizubekommen. „Und Sie werden Paul gehen lassen?“
Er nickte. „Vorher müssten noch einige Formalitäten …“
„Wie lange würde das dauern?“, unterbrach sie ihn.
„Ein bis zwei Tage, und er sitzt im Flugzeug nach England.“
Gabby holte tief Luft. Je früher, desto besser. Nicht, dass Rafik am Ende erkannte, wie wahnsinnig sein Plan war. Früher oder später würde er es auf alle Fälle bemerken. Sicherlich wollte er sich damit einfach von seiner eigenen Misere ablenken. Mitzuspielen und ihn bei Laune zu halten, das kam ihr fast wie ein Betrug vor.
„Ich werde mich mit Ihrem Bruder treffen.“
Aus seinem zufriedenen Lächeln schloss sie, dass Rafik nie daran gezweifelt hatte, dass sie einwilligen würde.
„Sehr gut. Dann würde ich vorschlagen, dass wir bis dahin keine Zeit vergeuden.“ Sein Blick glitt an ihrem Körper hinab, und er
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