Julia Sommerliebe Band 24
verändert.“ Er rieb sich den Nacken und versuchte, seine Erschöpfung nicht über die Selbstdisziplin siegen zu lassen. Gut, dass sie beide zu prinzipientreu waren, um der Versuchung nachzugeben.
„Hör auf damit. Es ist unheimlich, von dir beobachtet zu werden.“ Avery rollte sich auf die Seite, weg von Malik, konnte ein Stöhnen jedoch nicht unterdrücken. „Wie lange werde ich mich noch so fühlen?“
Das leise Zittern in ihrer Stimme beunruhigte ihn, denn er wusste ja, wie hart im Nehmen diese Frau normalerweise war. „Fühlst du dich schlecht?“
„Nein, ich könnte Bäume ausreißen.“ Durch das Kissen klangen ihre Worte gedämpft. „Ich will nur wissen, wie lange dieses tolle Gefühl noch anhält, damit ich es so richtig auskosten kann. Also?“
„Stunden, Habibti. Vielleicht länger.“ Malik strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Das hat nichts mit Zärtlichkeit zu tun, redete er sich ein. Nur mit Trost.
„Ich war so dämlich“, murmelte Avery. „Bestimmt bist du wütend auf mich.“
Wenn es nur Wut wäre … „Nein, bin ich nicht.“
„Dann streng dich bitte an. Es wäre nämlich leichter, wenn du wütend wärst.“
Malik bezweifelte, dass irgendetwas diese Situation leichter machen konnte. Er legte zwei Finger auf Averys Handgelenk. „Dein Puls ist sehr schnell.“
„Bestimmt nicht deinetwegen, fühl dich also nicht geschmeichelt. Ich fahr immer so auf Skorpione ab.“
„Das liegt am Gift. Wenn sich dein Zustand verschlechtert, rufe ich den Hubschrauber.“
„Auf keinen Fall. Wir müssen deine jungfräuliche Braut finden.“
Er unterdrückte ein paar unfreundliche Worte und zog eine Bandage aus dem Verbandskasten. „Du sollst sie nicht so nennen!“
„Tut mir leid.“ Avery drehte sich zu Malik herum und öffnete die Augen einen Spalt. „Bist du schon wütend?“
„Nein, aber ich werde es bald sein, wenn du so weitermachst.“
Sie seufzte. „Ich wette, der Skorpion ist auch wütend, so unsanft, wie ich mit ihm umgesprungen bin. Was für ein furchtbares Tier.“
„Skorpione spielen eine wichtige Rolle im Ökosystem. Sie fressen andere Gliederfüßer, sogar Mäuse und Schlangen.“
„Erspar mir bitte die Einzelheiten.“
„Ich glaube, du bist mit einem blauen Auge davongekommen, Avery.“
„Wie meinst du das? Mochte der Skorpion mich nicht? Aua. Was machst du denn da?“
„Ich bandagiere die Wunde und lagere deinen Arm hoch, damit sich das Gift langsamer ausbreitet.“
„Red bitte nicht mehr von Gift. Es geht schon, Malik, du brauchst keinen Aufstand zu machen. Kannst du das Eis wegnehmen? Meine Hand ist so kalt.“
„Das ist ja auch der Sinn der Sache.“
„Skorpione mögen ihre Beute wohl nicht gefroren?“, fragte Avery mit Galgenhumor. In Wahrheit war außer der Hand nichts kühl. Im Gegenteil: Sie glühte.
„Hast du jemals allergisch auf irgendetwas reagiert?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nie.“
„Warum bist du nicht früher ins Zelt gekommen?“
„Damit wir uns nicht gegenseitig umbringen.“ Sie versuchte ein Lächeln, brachte aber keins zustande. „Entschuldige. Ehrlich.“
Malik zuckte die Schultern. „Warum entschuldigst du dich? Weil du mich zur Weißglut treibst? Das ist doch nichts Neues. Allerdings hast du dich noch nie dafür entschuldigt.“
„Ich wollte helfen, weil ich mir Sorgen um Kalila mache. Nun habe ich kein bisschen geholfen, und überhaupt ist alles meine Schuld. Ich hätte nicht mitkommen sollen. Es tut mir leid.“
Ihre Zerknirschung überraschte Malik. Etwas in seiner Brust wurde eng. „Ich weiß deine Sorge zu schätzen. Und du kannst durchaus helfen, denn Kalila wird sich dir eher anvertrauen als mir. Leider habe ich in dieser Hinsicht versagt.“ Weil ich unnahbar war, ergänzte Malik im Stillen. Ich habe vorausgesetzt, dass alles in Ordnung ist, wenn Kalila nichts Gegenteiliges sagt. Wir haben keine Beziehung, die den Namen verdient. Nicht zu vergleichen mit dem, was zwischen Avery und mir war.
„Ihr passt wunderbar zusammen. Ich bin sicher, dass ihr glücklich miteinander werdet. Kalila ist liebenswürdig und sanft. Solche Eigenschaften machen sich gut in einer Ehe.“ Avery drehte den Kopf. Durch die Bewegung löste sich der geflochtene Zopf. Die langen honigfarbenen Haare fielen ihr über die Schultern.
Malik starrte auf die seidigen Strähnen und bekämpfte den Impuls, sie durch seine Finger gleiten zu lassen. Früher hatte er das Recht gehabt, es zu tun – und er hatte es getan. Ständig.
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