Julia Sommerliebe Band 24
saß auf dem Fensterplatz neben Harry und hatte freien Blick auf die vorbeiziehende üppige Landschaft. Allerdings war der Platz so eng bemessen, dass ihre Beine in jeder Kurve aneinanderstießen, was sie jedes Mal aus dem Konzept brachte.
Harry hingegen schien ganz in seinem Element zu sein. Lebhaft unterhielt er sich mit den Mitreisenden und gab diverse Reiseanekdoten zum Besten. Er schien wie ausgewechselt, von Melancholie oder Arroganz keine Spur.
Bonnie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und gab sich für einen Moment dem angenehmen Gefühl hin, in Begleitung eines so attraktiven und charmanten Mannes unterwegs zu sein. Gleich darauf rief sie sich zur Ordnung. Harry war eine nette Urlaubsbekanntschaft, mehr nicht. Morgen schon würde sie im Flugzeug sitzen. Trotzdem gab es keinen Grund, diesen letzten Urlaubstag nicht zu genießen.
Harry fing ihren Blick auf und lächelte ihr zu. Heute war keine Spur von Traurigkeit in ihren Augen zu sehen. Er war froh und auch ein klein wenig stolz darauf, dass er sie zu diesem Ausflug überredet hatte, der ihr Spaß zu machen schien.
Trotzdem sollte er lieber vorsichtig sein.
Er schaute an ihr vorbei und aus dem Fenster. In der Ferne war bereits der Mount Agung zu sehen, ein erloschener Vulkan, zu dessen Fuß sich leuchtend grüne Reisfelder erstreckten.
Er hatte nicht vor, noch einmal einer Frau sein Herz zu öffnen. Dafür schmerzte ihn die Vergangenheit zu sehr. Nicht ohne Grund hatte er alles hinter sich gelassen und war nach Bali geflüchtet, wo er niemandem Rechenschaft darüber ablegen musste, was er mit seinem Leben anfing.
„Ist das ein Vulkan?“ Bonnies Augen blitzten neugierig auf.
Harry schüttelte seine trüben Gedanken ab. „Ja, Mount Agung ist ein erloschener Vulkan. Sie werden gleich jede Menge Lavagestein zu sehen bekommen, wenn wir für unser zweites Frühstück in Kintamani anhalten, zwischen Agung und Mount Batur. In der Nähe des Dorfes holen wir unsere Fahrräder ab, und dann geht es immer bergab, bis hinunter zum Fluss.“
„Wie oft haben Sie diese Tour schon unternommen?“
„Einige Male. Manchmal springe ich ein, wenn ein zusätzlicher Guide gebraucht wird. Es ist wirklich eine tolle Fahrt.“ Und eine gute Methode, um die Zeit totzuschlagen.
Bonnie musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. „Wie lange genau sind Sie schon hier?“
„Seit etwa neun Monaten“, antwortete er knapp.
„So lange wie eine Schwangerschaft dauert“, bemerkte sie, und er fuhr unwillkürlich zusammen. Ohne es zu wissen, hatte sie ihn an seiner empfindlichsten Stelle getroffen.
Schnell wandte er sich ab und begann ein Gespräch mit einer der portugiesischen Lehrerinnen über die besten Surfstrände der Insel. Doch obwohl die junge Frau offensiv mit ihm zu flirten versuchte, war er nicht bei der Sache. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Bonnie sich ebenfalls umdrehte und wieder aus dem Fenster sah. Er erkannte sich selbst nicht mehr.
Harry war froh, als der Bus endlich vor dem Café in Kintamani hielt. Welcher Teufel hatte ihn bloß geritten, sie zu diesem Ausflug zu überreden?
Bonnie verließ den Bus kurz nach ihm. Die Aussicht, die sich ihr bot, war so überwältigend, dass sie Harrys unhöfliches Verhalten vergaß.
Das Café lag auf einem Felsvorsprung. Von dort eröffnete sich ein grandioser Blick auf die schroffe Vulkanlandschaft mit ihrem schwarzen, narbenartigen Gestein bis hinunter ins Tal, wo sich ein riesiger See ausbreitete.
„Wann ist der Mount Batur zum letzten Mal ausgebrochen?“ Auch ohne aufzusehen wusste sie, dass Harry neben ihr stand.
„1994. Der Westhang ist zurzeit leider für Besucher geschlossen, aufgrund einer erhöhten Vulkanaktivität, die auf einen neuen Ausbruch hindeuten könnte.“
„Wie sieht Lavagestein eigentlich aus der Nähe aus?“
„Schwarz und sehr hart, ein bisschen wie verrostetes Eisen. Die Einheimischen nutzen es als Baumaterial. Wenn Sie genau hinsehen, können Sie unten im Tal die Schürfstellen erkennen.“
Offenbar wusste er eine Menge über die Kultur und Geschichte der Insel. Als Fremdenführer war er durchaus begabt. Allerdings fiel es ihr in seiner Gegenwart schwer, sich auf die Landschaft zu konzentrieren.
Nachdem sie sich im Café mit Reis und Crêpes gestärkt hatten – eine ungewohnte Kombination zum Frühstück –, stiegen sie wieder in den Bus ein. Diesmal brachte Harry es fertig, sich trotz der Enge so zu positionieren, dass sich ihre Beine nicht berührten. Bonnie nahm es mit
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