Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
ganzes Team, das in der Hauptsache aus Technikern und Ökonomen mit Hochschulbildung bestand, diesen Perestroika-Rock bald satthatten. Alle waren erleichtert, als diese Phase endlich hinter ihnen lag.
Der Name ihrer Komsomol-Firma »Terminal« ließ an einen Hafen mit Tankern denken, die bis zum Rand mit der zähen schwarzen Flüssigkeit gefüllt waren. Es roch nach Milliarden in harter Währung. Die Firma »Terminal« leitete in Julia Timoschenkos Leben die Zeit des Öls und der Röhren ein.
Das Öl kam aus Russland, die Röhren lieferte die Ukraine. Die einfache Idee, das eine gegen das andere zu tauschen, wurde für viele Jahre zur Grundlage des ukrainischen Big Business.
An der Wende zu den Neunzigerjahren, als die Monster der sowjetischen Staatsverwaltung Gosplan und Gossnab, das Staatliche Plan- und das Staatliche Versorgungskomitee, nicht mehr funktionierten und das ganze System der Beziehungen zwischen den über ein Sechstel der Erde verstreuten Betrieben vor dem Zusammenbruch stand, war das Hauptproblem, wie man dieses elementare Tauschgeschäft realisieren sollte.
Den Ausweg fand der gebildete Mathematiker und »zivilisierte Genossenschafter« Konstantin Borowoi, als er 1989 die New Yorker Wertpapierbörse besuchte. Die Idee, die neuen Unternehmen an einem Handelsplatz zusammenzuführen, wurde 1990 umgesetzt. Im Programm des Radiosenders »Majak« und in der Parteizeitung »Prawda« erschien die Anzeige, dass im Hause des Moskauer Polytechnischen Museums eine Russische Waren- und Rohstoffbörse eröffnet worden sei. Ein Augenzeuge erinnert sich, welch gemischtes Publikum sich damals auf Borowois Anzeige hin meldete. »Etwa hundert künftige Aktionäre versammelten sich im Polytechnischen Museum: illegale sowjetische Millionäre, ehemalige Parteikader, die eine Firma mit staatlicher Beteiligung gegründet hatten, Unternehmer, die in den letzten zwei, drei Jahren zu Geld gekommen waren. Ihre ausländischen Wagen hatten sie bereits, Büros waren angemietet und nach den damals herrschenden Vorstellungen saniert. Sie wussten nicht, wohin mit ihrem Geld.«
Hier wurde mit allem gehandelt – von Strumpfhosen bis zu Flugzeugen. Diese Börse sollte später Legende werden. Sie galt als Wiege, Kindergarten und Grundschule des neuen russischen Kapitalismus. Fast alle späteren Oligarchen Russlands haben als Aktienhändler an dieser Börse angefangen. Um einzusteigen, musste man eine einzige Aktie der Börse selbst erwerben. Sie kostete bei der Eröffnung 100 000 Rubel. Familie Timoschenko war unter den Ersten, die es riskierten, diese Summe anzulegen. Das Risiko machte sich bezahlt. Im Juni 1991 war die Aktie bereits 4,5 Millionen Rubel wert.
Übrigens haben sie sie auch dann noch nicht verkauft, als sie bereits 4,4 Millionen Rubel verdient hatten. Die Aktie der russischen Waren- und Rohstoffbörse war Julia Timoschenkos Eintrittskarte ins Big Business.
Fünftes Kapitel
Die Freiheit
Der denkwürdige Putsch, der die Welt aufschreckte und die UdSSR erschütterte, nahm in der Ukraine seinen Anfang. Am 18. August 1991 wurde Präsident Michail Gorbatschow in seiner Residenz von Foros auf der Krim unter Hausarrest gestellt. Als der Putsch in Moskau scheiterte, machte sich ein Teil der hochrangigen Verschwörer eilig dorthin auf den Weg, um mit Gorbatschow zu sprechen. Von Foros kehrten sie gemeinsam in die von den Panzern befreite Hauptstadt zurück – die Putschisten landeten geradewegs hinter Gittern und Michail Gorbatschow auf seinem Thron im Kreml, wo seine Tage indessen gezählt waren.
Die Verschwörer unter UdSSR-Vizepräsident Janajew hatten sich gegen Gorbatschow und die Demokratie aufgelehnt, weil sie den weiteren Zerfall der Sowjetunion verhindern wollten. Ironie der Geschichte: Durch ihre Aktion trieben sie ihn nur noch schneller voran.
Aber auch ohne diese »Beschleunigung« war die UdSSR zum Untergang verurteilt. Die Ursachen für den Zusammenbruch der zweiten Supermacht der Welt steckten tief in ihr selbst. Lenins revolutionäre Utopie hatte nur in der Form von Stalins imperialer, blutiger und gnadenloser Gegenutopie überleben können. Später, unter Chruschtschow und Breschnew, kränkelte sie lange, erstarrte immer mehr und verlor ihren Sinn, bis sie schließlich ihren Geist aufgab. Die Bürger der Ex-Sowjetunion sahen neue politische Utopien am Horizont aufsteigen.
Die Intelligenz in den Hauptstädten träumte von den Freiheiten Europas. Die Intelligenz an den Rändern des Reiches von einer
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