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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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kommunistischen Idealen. Erst mit der Zeit begriffen die Schlaueren, wie leicht man diese Macht und diese Ideale in harte Devisen, Immobilien, Erdöl, Buntmetalle und Gas ummünzen konnte. Deshalb waren die ersten Unternehmer der Perestroika-Zeit junge Leute. Ins private Business gingen Ende der Achtzigerjahre zunächst Komsomolzen. Genauer gesagt, Komsomol-Funktionäre.
    Das war der gebildete, absolut zynische Nachwuchs, der an nichts mehr glaubte und in der Perestroika ein Geschenk des Himmels sah. Zusammen mit der Intelligenz genossen sie die neuen Freiheiten und stürzten sich auf Bücher, für deren Besitz und Verbreitung man sie vor einigen Jahren noch aus dem Komsomol geworfen oder gar ins Lager gesteckt hätte. Wie ihre Altersgenossen überall auf der Welt schwärmten sie für Jeans, amerikanische Zigaretten, Rockmusik und westliche Filme. Aber im Unterschied zu den Intellektuellen liefen die Komsomolzen nicht nur den Verlockungen der Kultur hinterher. Die »Vorhut der Partei«, wie sie sich selbst begriff, studierte mit dem Stift in der Hand die neuesten Erlasse und Gesetze, wo unter den abgedroschenen Propagandaformeln die neueste Losung der Gorbatschow-Zeit hindurchschimmerte: »Bereichert euch!«
    Der Vater der amerikanischen Autoindustrie, Henry Ford, sagte einmal, er sei bereit, alle seine Einkünfte offenzulegen – bis auf die erste Million. Julia Timoschenko hat das gleiche Problem. Wenn sie über ihre ersten Jahre in der Geschäftswelt spricht, dann erspart sie sich Einzelheiten. Wer diese Zeit ergründen will, ist auf Gerüchte, Klatsch, üble Nachrede und offene Verleumdungen angewiesen, ­Informationen, die er mühselig zusammentragen muss. Gleiches gilt für die ganze Generation von Geschäftsleuten im Komsomol-Alter in Russland, der Ukraine, im Baltikum, ja, in der ganzen ehemaligen Sowjetunion.
    Die ersten Millionen in harter Valuta wurden überall mit Lust und Leidenschaft und nahe an der Grenze des Strafrechts verdient. Zuweilen wurde diese Grenze auch weit überschritten. Daher kennen wir die Geheimnisse verblichener russischer Zaren oder Generalsekretäre besser als die Affären unserer neurussischen oder neuukrainischen Zeitgenossen. Das gilt für Beamte und Unternehmer gleichermaßen. Die Archive, in denen die Dokumente der Geschichte lagern, sind heute offen. Dokumente über die Zeit des Frühkapitalismus in unserem Lande sind nicht zu haben. In der Regel gibt es keine.
    Progressive sowjetische Publizisten nannten die ersten Geschäftsleute dieser Art »zivilisierte Genossenschafter«. Man ging davon aus, dass sie die »Neue Ökonomische Politik« wiederbeleben, zu der Lenin kurz vor seinem Tode Zuflucht suchte, als nach dem Sieg der Revolution in einem ruinierten Land Armut um sich griff. Offiziell hieß es, die UdSSR werde unter Gorbatschow zu den »Lenin’schen Normen« zurückkehren. Die Losung »Bereichert euch!« stammt von Lenins Mitkämpfer Bucharin.
    Diese Vorstellung aber war absolut unrealistisch, wie auch die Errichtung eines »Sozialismus mit menschlichem Antlitz«. Den hat es bisher nirgendwo auf der Welt gegeben.
    Stattdessen brachte Gorbatschow dem Land den Kapitalismus, und zwar sofort in einer äußerst brutalen Spielart. Gleichsam den marxistisch-leninistischen Lehrbüchern über den faulenden Kapitalismus entsprungen, umgab sich dieser von Anfang an mit düsteren Geheimnissen, scheute die Öffentlichkeit und saugte Blut. Als bald darauf echte Kriminelle ins Spiel kamen, die die »zivilisierten Genossenschafter« anstelle des Staates zeitweilig mit Steuern belegten, fielen Tausende junger und weniger junger Männer der Schutzgeld­erpressung zum Opfer, wurden in endlosen gewaltsamen Auseinandersetzungen getötet oder verletzt. Blut floss in Strömen, und die ungeschriebenen Gesetze des Big Business änderten sich jeden Tag.
    Aber zurück zum Jahr 1988, da die ersten schwindelerregenden Summen lustvoll verdient wurden.
    In jenem Jahr gründete Julia Timoschenko ihre erste Kooperative. Ein Jahr später verließ sie das Leninwerk und stürzte sich mit ihrem Ehemann in die Komsomol-Wirtschaft. Beide gründeten das NTTM-Zentrum »Terminal«. Später sollte Julia darauf hinweisen, sie sei nie eine »begeisterte Komsomol-Aktivistin« gewesen. Das war auch nicht mehr nötig. Das Gebietskomitee des Komsomol unter Führung des tatkräftigen Sergij Tigipko förderte ideenreiche junge Leute, besonders wenn sie auch ihn verdienen ließen. »Terminal«, das mit russischem Eröl

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