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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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Und Stalins Hungersnöte werden uns dann wie das Paradies vorkommen.«
    In seiner Verzweiflung übertrieb der Mann natürlich. Etwas Schlimmeres als die Stalin’schen Hungersnöte hat es in der Geschichte der Ukraine nicht gegeben. Aber die düstere Stimmung seiner Landsleute hatte er exakt getroffen. Als das stille Ende der UdSSR einige Monate zurücklag, breitete sich in der Ukraine allgemeines Entsetzen aus.
    Das zentrale Problem war der Verlust der Energiequellen, die nun in Russland lagen. Die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas sollte auf Jahre hinaus zum Symbol der nationalen Tragödie der Ukraine und zur Ursache demütiger politischer Reverenzen aller ukrainischen Regierungen vor dem Kreml werden. Zugleich brachte sie Geschäftsideen hervor, die märchenhafte Gewinne versprachen. Die Tatsache, dass zwischen den beiden Schwesterrepubliken plötzlich eine Staatsgrenze lag, die Öl- und Gasleitungen durchschnitt, wurde zum Klondike, das bei den Geschäftsleuten hüben und drüben einen wahren Goldrausch auslöste.
    Die Firma »Ukrainisches Benzin« von Grawez und dem Ehepaar Timoschenko importierte in Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern in den Erdölregionen von Baschkirien bis nach Sibirien Rohöl, Benzin und Petroleum in die Ukraine.
    KUB wurde bald zum Alleinversorger der Landwirtschaftsbetriebe des riesigen Gebietes Dnipropetrowsk mit Treib- und Schmierstoffen. Sie beschaffte sich den staatlichen Auftrag zur exklusiven Lieferung des Treibstoffs für die Frühjahrsaussaat.
    Aber weder Kolchosen noch Fabriken hatten damals Geld, um die Lieferungen zu bezahlen. Die Kunst bestand darin, lange Ketten bargeldloser gegenseitiger Verrechnungen aufzubauen. Für den Diesel lieferten die Kolchosen Lebensmittel, die man Zementfabriken anbieten konnte. Mit dem Zement wurden die Transportleistungen der Eisenbahn vergütet und so weiter und so fort. In den postsowjetischen Staaten stand an der Wiege des Kapitalismus die feudale Naturalwirtschaft.
    Ein weiterer Grund für die bargeldlose Verrechnung war das Finanzchaos, das im Lande herrschte.
    Die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik hatte bereits im November 1990 sogenannte Coupons eingeführt – eigene Wertzeichen, ohne die man im Lande nichts mehr kaufen konnte. Als Reaktion darauf kam 1991 kein Papiergeld mehr ins Land, das in Russland zentral gedruckt wurde. Im Januar 1992 hob die Regierung des russischen Reformers Jegor Gaidar die staatlichen Preise auf. Es kam zu einem schwindelerregenden Preisanstieg. Waren aus der Ukraine strömten nach Russland, weil man dort mehr dafür bezahlte. Der Ukraine blieb nichts übrig, als den Auszug aus der Rubelzone fortzusetzen.
    Den Coupons folgten nun neue Banknoten, die Karbowanzen. Diese hatten keinerlei Golddeckung, denn die Goldreserve war in Moskau geblieben. Auch eine staatliche Garantie gab es für sie nicht. 1993 stieg die zirkulierende Geldmenge um das 19-fache. 1994 erreichte die Hyperinflation die unvorstellbare Höhe von 10 200 Prozent.
    Der wichtigste Vorteil des Naturalaustauschs war jedoch, dass er fast legal von Steuern befreite. Denn bei den gegenseitigen Verrechnungen der Firmen tauchten nach außen hin keine Geldsummen auf. Es gab sie natürlich, aber sie hinterließen in den Büchern keine Spuren. Hunderttausende Dollar gingen in bar von Hand zu Hand, wurden in Koffern von einer Stadt zur anderen und über Ländergrenzen geschleppt, um schließlich auf Bankkonten fern der Ukraine zu landen. Die Schattenwirtschaft blühte.
    Aber wir wollen nicht übertreiben.
    Während KUB und ähnliche Firmen ihre Schattenmillionen verdienten, retteten sie zugleich das Land. Sie knüpften so manchen gerissenen Faden der Wirtschaftsbeziehungen wieder zusammen und erfüllten damit eine Aufgabe, zu der der Staat nicht in der Lage war. Ihnen ist zu verdanken, dass die Gefahr, man werde in der Ukraine »die Erntemaschinen bald mit Speck betreiben« müssen, zunächst gebannt war und schließlich ganz verschwand. Im Unterschied zur Mehrheit ihrer Landsleute ließen sich die findigen Unternehmer, die sich tapfer ins kalte Wasser der postsowjetischen Wirtschaft stürzten, nicht von Fatalismus und Apathie anstecken. Sie verachteten ihren »unfähigen« Staat und wollten ihm keine Steuern zahlen. Sie hatten auch kein Vertrauen zur nationalen Währung und zogen den Dollar vor. Für die ukrainische Wirtschaft waren sie das Leiden und die Arznei zugleich.
    Aber der Staat brachte sich zuweilen in Erinnerung.
    Geld in Koffern

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