Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
dann bei Jewgenias Hochzeit im Herbst 2005 in Kiew, wo Oleksandr die Tochter und Julia ihren Bräutigam Sean Carr zum Altar führt.
So sind in der ehemaligen Sowjetunion viele Ehen zerbrochen. Meist verlassen erfolgreiche Männer ihre Frauen und wechseln zu einer attraktiven, teuren Geliebten. In diesem Falle hat sie den ersten Schritt getan, ohne für Oleksandr gleichwertigen Ersatz zu finden. Wenn sie auf ihn zu sprechen kommt, dann nur in elegischem Ton. Oleksandr bleibt für sie einer der duldsamsten Menschen auf der Welt, dem sie kein ruhiges Familienleben bieten konnte. Das Scheitern ihrer Ehe nennt Julia mit einem Anflug von Fatalismus den Preis für ihren Entschluss, Politikerin zu werden.
Den Entschluss selbst wird sie wohl nie bereuen.
Sechstes Kapitel
Ein Minirock für den Dinosaurier
Im September 1995 wurde der bisherige Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Pawlo Lasarenko, zum stellvertretenden Ministerpräsidenten der Ukraine mit dem Ressort Brennstoff- und Energiekomplex ernannt. Das eröffnete dem Dnipropetrowsker Clan ungeahnte Aufstiegsmöglichkeiten.
Julia Timoschenko stand damals bereits weit oben auf der Karriereleiter. Zwei Monate nach Lasarenkos Ernennung ging die Geschichte von KUB zu Ende. Rechtsnachfolger der Firma »Ukrainisches Benzin« wurde das ukrainisch-britische Gemeinschaftsunternehmen »Einheitliche Energiesysteme der Ukraine«. Das Stammkapital von JeESU betrug zehn Millionen Dollar. Der Wahlspruch des Unternehmens lautete: »Mit Energie und Glauben für die Wiedergeburt der Ukraine!«
Besitzer und Hauptakteure von JeESU waren dieselben wie bei KUB, nur der Anteil von Oleksandr Grawez am Stammkapital fiel hier wesentlich geringer aus, der des Ehepaares Timoschenko dagegen beträchtlich höher. Firmenchefin war Julia Timoschenko, Generaldirektor ihr Schwiegervater und Chef der Abteilung Transport ihr Ehemann. Als formale Besitzer weiterer Tochterunternehmen und Strukturen von JeESU fungierten Julias Mutter, Tante und Tochter. Julias Führungsrolle in der Firma wurde jetzt von keinem mehr infrage gestellt. Ein Jahr später sollte Gennadi Timoschenko auf einer Konferenz der Partei »Gromada« erklären, was ohnehin alle wussten: »Ich verehre meine Schwiegertochter. Von ihrem Geist und ihrer Begabung leben wir alle …«
Im Mai 1996 wechselt Pawlo Lasarenko vom Sessel des Stellvertreters in den des Regierungschefs. Das ist der endgültige Durchbruch für die Dnipropetrowsker in der Hauptstadt der Ukraine. Sie halten jetzt das »Aktienkontrollpaket« über die Machtelite in der Hand: Kutschma ist Präsident, und Lasarenko führt die Regierung.
Der siebente Ministerpräsident der Ukraine in ganzen viereinhalb Jahren Unabhängigkeit spielte den neuen Part nicht schlecht, hielt sich aber auch nicht länger als die Vorgänger auf seinem Posten. Der amtsneidische Präsident Kutschma sah jeden Regierungschef mit Misstrauen. Da er um seinen Thron bangte, ließ er keinen länger als ein Jahr amtieren.
Aber für die kurze Zeit, die ihm gegeben war, erreichte Lasarenko eine Menge. Die größte Leistung seiner 15-monatigen Regierungszeit war die Währungsreform, die vom Präsidenten der Nationalbank, Viktor Juschtschenko, geplant und durchgeführt wurde. Damit ging die Zeit der Coupons und Karbowanzen zu Ende, die den Ukrainern noch heute wie ein Albtraum erscheint. Mit der Griwna erhielt das Land endlich ein mehr oder weniger verlässliches Zahlungsmittel. Der Dollar verschwand damit natürlich nicht. Er ist im Volk bis heute der beliebteste Gradmesser materiellen Wohlstandes geblieben. Aber der Kurs der Griwna war von Anfang an stabil.
Lasarenkos Politik stellte das typische Gemisch aus administrativer Regulierung und Schutz des Beamten-Kapitalismus dar. Er führte die Steuerbanderolen für alkoholische Getränke und Tabakwaren ein. Die Kohleindustrie, die zwar ein chronisches Verlustgeschäft war, aber hohe soziale Brisanz in sich barg, erhielt wieder staatliche Zuschüsse wie zur Sowjetzeit.
Das Hauptproblem seiner Regierung war das Gas.
Von russischem Gas abhängig zu sein, ist einer der schwerwiegenden genetischen Defekte, den die Sowjetwirtschaft der Ukraine hinterlassen hat. Ihr Gasverbrauch hat Rekordniveau: 75 bis 80 Milliarden Kubikmeter im Jahr. Zu Lasarenkos Zeit nahm die Ukraine auf diesem Gebiet den vierten Platz in der Welt ein. Ganze 18 Milliarden Kubikmeter wurden im Lande gefördert, der Rest musste in Russland und Turkmenistan zugekauft werden. Zwar gelang es
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