Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
organisierte für ukrainische Politiker Praktika in den USA.
Das Verhältnis des klugen, bereits verheirateten Finanziers mit der jungen Amerikanerin entwickelte sich stürmisch. Juschtschenko reichte die Scheidung ein und verließ seine erste Familie, was kein ehrgeiziger Politiker tut, der Großes vorhat. Sie heirateten, was bei einzelnen wachsamen postsowjetischen Bürgern in der Ukraine und in Russland den starken Verdacht auslöste, die ganze Liebe sei eine Operation der CIA. Als ihm Reporter allzu sehr mit dem Spionageproblem zusetzten, antwortete er phlegmatisch: »Kateryna würde es ziemlich schwerfallen, mit drei Kindern am Hals Spionage zu betreiben.« Das waren bereits ihre gemeinsamen Kinder.
Sie wurde für ihn das teuerste Wesen, in dem die Liebe und der Traum vom Weg der Ukraine in den Westen miteinander verschmolzen. Er wiederum war für das ukrainische Mädchen aus Chicago die Fleisch gewordene Utopie. Das Symbol des verlorenen Vaterlandes.
Julia Timoschenkos Gefühle für Viktor Juschtschenko waren natürlich nicht von solcher Leidenschaft geprägt, aber irgendwie ähnlich.
Als sie für die Macht auf ihr Geschäft verzichtete, musste sich Juschtschenko für Julia Timoschenko von der grauen Masse der ihr überdrüssigen Geschäftspartner und Vertreter der politischen Elite abheben. Er war anders. Wie sie fühlte auch er sich fremd in diesem Kreis. Im Vergleich zu Krawtschuk, Kutschma oder Lasarenko war er klüger, gebildeter und attraktiver. Er hatte alles, was Frauen an Männern mögen. Dazu war er sanft, behutsam und empfindsam – ein Mann, wie er Julia Timoschenko noch nie begegnet war. Außer vielleicht Oleksandr Timoschenko, ihre erste Liebe.
Russland gewann seine Freiheit beim Putsch von 1991 in einer kurzen, aber harten Auseinandersetzung mit der bereits hinfälligen, aber immer noch gefährlichen Sowjetunion. Unumstrittener Führer des demokratischen Russlands war zwei Jahre lang bis zum Beschuss des Parlaments im Jahre 1993 Präsident Boris Jelzin. Der Ukraine fiel die Freiheit völlig unerwartet in den Schoß. In der Hitze des Gefechts mit Gorbatschow um den Kreml ließ Jelzin die Ukraine als Bauernopfer fallen. Deshalb gab es zunächst auch keinerlei Veränderung in der Elite. Die Parteinomenklatura von Kiew bis zum letzten Dorfsowjet tauschte lediglich das Porträt Lenins gegen ein Bild des ukrainischen Nationaldichters Taras Schewtschenko aus.
Daher gab es anfangs im Lande auch keine wahren Helden der Demokratie.
Die Bemühungen Krawtschuks oder Kutschmas, die Rolle des Vaters der Nation zu spielen, waren einfach lächerlich. Während des ganzen ersten Jahrzehnts der Unabhängigkeit harrte die Ukraine wie eine heiratsfähige Braut mit angehaltenem Atem auf den Mann ihres Schicksals. Leider gab es in den obersten Etagen der Macht faktisch keine Auswahl. Da war der begabte Banker mit dem Äußeren eines amerikanischen Präsidenten, ausgezeichneten Kenntnissen der Kosakengeschichte und der Liebe zu den Bienen zwar nicht der ideale, aber doch der bestmögliche Anwärter auf Herz und Hand des Landes.
Über solche Elogen von Juschtschenko als dem Führer der Nation konnte der wiedergewählte Präsident Kutschma nur lachen. Er war ein Realist mit ausgezeichneter Menschenkenntnis. Von sich selbst wusste er, dass in der ukrainischen Politik eiserner Wille und Gnadenlosigkeit gegenüber den Rivalen über Sieg oder Niederlage entschieden. Viktor Juschtschenko aber hielt er im Unterschied zu Lasarenko in dieser Hinsicht für einen Schwächling.
Damit hatte Kutschma recht und unrecht zugleich. Viktor Juschtschenko war natürlich kein Schwächling, sonst wäre er nie Präsident geworden. Aber er war und ist bis heute ein zögerlicher, unentschlossener Mann, der immer noch nicht ganz mit sich darüber im Reinen ist, ob er aus der Welt des großen Geldes in die Welt der großen Politik hätte wechseln sollen.
Deshalb war er für Kutschma als neuer Ministerpräsident genau der Richtige. Nach Hetmans dramatischem Tod war Juschtschenko deprimiert und verwirrt. Mit der Rolle dessen, der das Vermächtnis seines »Paten« erfüllen sollte, tat er sich schwer. Er hatte jetzt noch weniger Lust, um die Macht zu kämpfen. Aber er besaß den Ruf eines im Westen anerkannten ehrlichen Bankers, was in den schweren Verhandlungen mit dem IWF über neue Kredite Erfolg versprach. Juschtschenkos Ruf als Reformer gab der in Armut resignierten Bevölkerung die Hoffnung, in Präsident Kutschmas zweiter
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