Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie
stimmen.
Julia Timoschenko muss beweisen, dass sie keine schlechtere Patriotin ist als Juschtschenko. Auf der Wahlkampftour begleiten sie zwei legendäre Dissidenten, die unter Breschnew für die Menschenrechte und die Freiheit der Ukraine gelitten haben – Lewko Lukjanenko und Stepan Chmara. Jetzt zählen beide zu ihren und nicht zu Juschtschenkos Anhängern. Unterwegs im Auto lehrt Stepan Chmara Julia die »wahre Geschichte der Ukraine«, nicht die, die man ihr zur Sowjetzeit in der Schule in Dnipropetrowsk beigebracht hat. Außerdem weiß sie, dass diese Tour auch ihre Prüfung in der ukrainischen Sprache ist, die sie erst seit einigen Jahren lernt.
Energie und körperliche Ausdauer Julia Timoschenkos sind bereits Legende. Außerdem hat sie das abgeschiedene Leben in Kiew satt. In Lwiw trifft sie an einem einzigen Tag in zwei überfüllten Sälen mit potenziellen Wählern zusammen, spricht auf einer Kundgebung am Schewtschenko-Denkmal im Zentrum der Stadt, hält eine Pressekonferenz ab, gibt einem privaten Rundfunk- und einem Fernsehsender Interviews. Sie erklärt, man dürfe »nicht warten, bis Kutschma ein guter Mensch wird«, und nicht hoffen, dass die Oligarchen eines Tages ihren zusammengeraubten Besitz mit dem Volk teilen. Ihn zurückholen und gerecht verteilen kann man nur mit Gewalt. In der Lage ist dazu nur eine neue Staatsmacht. Juschtschenko? Sie kritisiert ihn nicht. Sie verspricht, dass ihre Parlamentsfraktion sich mit »Unsere Ukraine« zusammentun wird. Für Wähler, die bisher bereit waren, für Juschtschenko zu stimmen, jetzt aber Timoschenko gut finden, hat sie einen einfachen Rat: »Wenn Sie sicher sind, dass Sie den Block Juschtschenko unterstützen wollen, dann tun Sie das. Wenn Sie aber auch nur den geringsten Zweifel haben, dann unterstützen Sie uns!«
Mit ihrem Sprung in den Westen gelang es ihr, die Herzen der Menschen zu erobern. Im März stimmte über ein Viertel der Wähler für sie. Und so beschrieb der Korrespondent von Serkalo Nedeli aus Kiew die Euphorie in Lwiw nach der Begegnung mit Julia Timoschenko: »Die Lwiwer schlürften mit Genuss den Cocktail aus zierlicher Gestalt, bezaubernder Stimme und natürlichem Lachen, angedeuteter Schutzlosigkeit, einem beeindruckenden Schuss Intellekt und ungewöhnlicher rednerischer Begabung. Am Ende der ersten Begegnung rief ihr ein tausendstimmiger Chor künftiger Wähler begeistert zu: ›Viele Jahre sollst du leben!‹ Wie sollten sie auch auf eine Frau reagieren, die die Lwiwer auf Ukrainisch mit den Worten angesprochen hatte: ›Verehrte Freunde! Meine Teuren! Ihr seid der Ruhm unserer Ukraine! Wenn die Ukraine nicht vor Gott niederkniet, wird sie sich nie wieder von den Knien erheben! Wenn ich jünger wäre, würde ich mit den Kosaken der Setsch kämpfen! Eine glühendere nationale Demokratin als mich werdet ihr in der Ukraine nicht finden!‹«
Die Wahlergebnisse sahen für Kutschma trübe aus.
Der Wahlblock des Präsidenten »Für eine einige Ukraine« kam nicht einmal auf 12 Prozent, was einen absoluten Fehlschlag bedeutete. Die Partei der Macht lag hinter den Kommunisten, die fast 20 Prozent der Stimmen erhielten, und natürlich dem Sieger dieser Wahl, Viktor Juschtschenkos Block »Unsere Ukraine«, für den 24 Prozent der Wähler ihre Stimme abgaben. Die oppositionellen Sozialisten von Oleksandr Moros erhielten knapp 7 Prozent und die mit Kutschma verbündeten Vereinigten Sozialdemokraten von Viktor Medwedtschuk bildeten das Schlusslicht mit 6 Prozent Stimmenanteil.
Juschtschenko triumphierte. Seine seriöse Oppositionspolitik hatte ihm einen eindrucksvollen Sieg beschert. Die Strategen seines Blocks rechneten bereits, wie sie eine Mehrheit im Parlament zusammenzimmern konnten. Dabei sahen sie als eine der Hauptvarianten das Bündnis mit der Präsidentenpartei »Einige Ukraine«, wenn Juschtschenko dadurch erneut Ministerpräsident werden konnte. Der blieb sich treu und wollte keinen Kampf. In diesen Tagen traf er mehrfach mit Kutschma zusammen.
Julia Timoschenko sah Juschtschenkos Manöver mit wachsendem Befremden. Gereizt warnte sie »Unsere Ukraine« und deren Spitzenmann vor einem Bündnis mit dem Präsidenten, dem sie kein bisschen vertraute. Sie bestand auf der Bildung einer Parlamentsmehrheit ohne Kutschma.
Julia konnte stolz auf sich sein. Ihr Block hatte über 7 Prozent erhalten. Für eine neu gegründete Partei, die noch dazu in allen dem Präsidenten hörigen Medien aggressiv angegriffen wurde, war das ein
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