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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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Minuten rufe ich meinen Mann an, der irgendwo auf einer kalten Straße steht. Dort erwarten sie Bergleute aus Donezk, die man, wie wir wissen, mit Viehwagen ins rebellische Kiew befördert hat. Allen ist klar, dass es Blutvergießen geben kann. Der letzte Anruf meines Mannes kommt vom Europaplatz, wo sie die Bergarbeiter erwarten. Plötzlich ruft mich eine Freundin an. Fast hysterisch schreit sie in den Hörer: ›Wo seid ihr jetzt?! Such deinen Mann!!! Er soll auf dem Maidan die nächste Metro nehmen und so rasch wie möglich von dort verschwinden!!! Dort wimmelt es von Kumpeln aus Donezk! Sie tragen schwarze Jacken, haben Knüppel dabei und ziehen zum Ukrainischen Haus! Dort wird jetzt gekämpft! Fahrt nicht ins Zentrum!‹ Die Minuten, da es mir einfach nicht gelingen wollte, die Nummer meines Mannes einzutippen, weil mir die Finger zu stark zitterten, werde ich nie vergessen. Gott sei Dank, er ist am Leben, ja, sie haben die Donezker jetzt direkt vor sich, die Janukowitsch angekarrt hat. ›Eigentlich ganz normale Leute … Ja, viele sind betrunken, wer würde sich in ihrer Lage nicht besaufen?! Auch ein paar Schlägertypen sind dabei, aber was wollen die gegen 500 000 Menschen ausrichten?‹ Ich höre durchs Telefon, wie ›unsere‹ skandieren: ›Es lebe Donezk!‹ und ›Es leben die Bergarbeiter!‹ und ›Wir lieben euch!‹ und noch mehr solcher Losungen. Man gibt ihnen zu essen und etwas Warmes zum Überziehen. Es sind ›unsere‹, wir verspüren keinen Hass auf sie, sie – das sind wir.«
    Die Revolution in Orange hatte vom ersten Tage an zwei Konzepte, zwei Philosophien, zwei Strategien und zwei Führer.
    Julia Timoschenko wurde, wie der Korrespondent des Focus sich ausdrückte, zum »Eisernen Engel« des Maidan. Andere Journalisten haben sie die »Seele der Orangenen Revolution«, ihre »Muse« genannt. Aus der Gas- war eine »orangene Prinzessin« geworden. Die von Julia Timoschenko entzückten ausländischen Reporter taten es ihren ukrainischen Kollegen nach und dachten sich immer neue Namen für sie aus. Kein Einziger übersah natürlich den Zopf, den sie bald als Heiligenschein, bald als Stilelement der ukrainischen Bauernkultur beschrieben.
    »Julia Timoschenko war überall«, schrieb der Korrespondent der russischen Zeitung Kommersant , Andrej Kolesnikow. »War nun die ›Revolution in Orange‹ das bestimmende Ereignis für sie oder war sie die bestimmende Figur für die Revolution? Sie, die nur noch in dieser Farbe auftrat – im orangenen Pullover mit dem Wort ›Revolution‹ in Schwarz von der Schulter bis zum Handgelenk, was augenblicklich zur neuesten Mode wurde, in orangefarbenen Schals und Tüchern, im Kleid mit einem herausfordernden orangefarbenen Ornament … Jemand hätte in diesen Tagen den Adrenalinspiegel in ihrem Blut messen sollen! Es war wohl auch von orangener Farbe.«
    Aber Julia Timoschenko rief nicht nur Entzücken bei den Journalisten und Begeisterung bei den Demonstranten auf dem Maidan hervor. Sie wurde auch eine Radikale genannt, die nicht kompromissfähig sei. Eine Extremistin, bereit, ihr Leben und das anderer Menschen zu riskieren. So nannten sie nicht nur ihre Feinde aus Kutschmas Lager, sondern auch viele von Juschtschenkos Mitkämpfern.
    Sie träumte von einer Revolution nach georgischem Vorbild. »Die georgische Revolution hat drei Wochen gedauert. Ich denke, die ukrainische wird nicht mehr Zeit brauchen«, versprach sie dem Maidan schon an einem der ersten Tage. Das Szenario, das ihr vorschwebte, war einfach: Zuerst mussten Kutschma und Janukowitsch gestürzt werden. Dann sollten Verhandlungen über den postrevolutionären Charakter des Landes folgen. Die wollte sie mit einer gestürzten Staatsmacht führen. Kutschma musste zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen werden. Sie wollte ihm nicht den Sieg am runden Tisch abhandeln müssen.
    Viktor Juschtschenko, der so auf einen Kompromiss aus war, bildete den zweiten Pol der Revolution in Orange. Er war von Zweifeln geplagt und des Kampfes müde. Blutvergießen fürchtete er mehr als die eigene Niederlage. Außerdem war er immer noch nicht ganz gesund. Er wurde vom Maidan verehrt und konnte doch nicht so zu den Menschen sprechen wie Julia Timoschenko. Nicht ein einziges Mal zeigte er sich in diesen Tagen im Zeltlager der Studenten, die für seinen Sieg ihr Leben riskierten. Dafür war er ein kluger und weitblickender Politiker. Man konnte annehmen, bei den Verhandlungen, in die ihn Kutschma hineinzog, rücke

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