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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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er Schritt für Schritt von seinen Positionen ab. Dabei wusste er genau, dass all die kleinen Niederlagen zu seinem Sieg führen mussten. Einem vollwertigen Sieg ohne Blutvergießen, dem die Welt ihre Anerkennung nicht versagen konnte.
    Zu behaupten, Julia Timoschenko wäre nur eine zu allem fähige Extremistin gewesen und Juschtschenko ausschließlich der Friedensstifter, wäre allerdings ungerecht. In beiden mischten sich Radikalismus und Verantwortung für die Menschen, die sie auf die Straße gerufen hatten. Nur die Anteile waren sehr verschieden.
    Was ihre Gegner auch immer behaupten mochten: Julia Timoschenko hatte nicht die Absicht, das Leben der Menschen auf dem Maidan zu riskieren, unter denen sich auch ihre Tochter befand. Allerdings war sie mehrfach nur um Haaresbreite davon entfernt. Etwa ganz am Anfang, am zweiten Tag der Revolution, am Dienstag, dem 23. November.
    Juschtschenko entschied sich zum revolutionärsten Schritt in den ganzen 19 Tagen der Revolution. In Abwesenheit der meisten Abgeordneten und gegen die Verfassung des Landes bestieg er im Großen Saal der Obersten Rada das Podium, legte die Hand auf eine alte Bibel und leistete den Amtseid des Präsidenten. Der Staatsmacht war dieser Schwur gleichgültig. Juschtschenko brauchte Unterstützung, und Julia Timoschenko rief an diesem Tag die am Maidan Versammelten auf, das Gebäude der Präsidialadministration zu stürmen. Sie sollten dem »Präsidenten des Volkes« den Weg zu seinem »neuen Arbeitsplatz« bahnen. In der Tat sollten sie Muskeln zeigen und beweisen, dass der Maidan nicht nur singen und tanzen, sondern auch kämpfen konnte.
    Am Abend war das Gebäude von 150 000 Demonstranten umringt. Vor dem Eingang standen Lastwagen mit Sandsäcken und tief gestaffelte Sondereinheiten der Miliz. Die vordersten Reihen waren mit eisernen Schilden ausgerüstet. Etwas weiter entfernt standen Bewaffnete mit Maschinenpistolen. Demonstranten erkletterten die Lastwagen und füllten jeden Meter im Umkreis des Gebäudes. Sie riefen: »Miliz und Volk sind eins!« und »Juschtschenko!« Julia Timoschenko forderte die Milizionäre auf, den Weg freizugeben. Sie versprach, es werde nichts zerstört werden. Die Miliz rührte sich nicht vom Fleck.
    Dann erschien Viktor Juschtschenko mit dem Blumenstrauß, den man ihm nach dem Eid überreicht hatte.
    Die Menschen machten Platz, Viktor Juschtschenko und Julia Timoschenko traten an die Sperrkette heran. Die Miliz gab den Weg nicht frei. Junge Mädchen nahmen Juschtschenko die Blumen aus der Hand und steckten sie an die Schilde der Milizionäre. Es trat eine Pause ein. Niemand wusste, wie es weitergehen sollte.
    Da geschah ein Wunder. Ganz allein, ohne Demonstranten und ohne den »Präsidenten des Volkes«, für dessen Sieg sie sich einsetzte, gelang es Julia Timoschenko, durch die Absperrung zum Gebäude vorzudringen. Genauer gesagt, dorthin zu fliegen. Die »orangenen Revolutionäre«, die das Warten satthatten, hoben sie einfach hoch und setzten sie auf die Schilde der Milizionäre. So überwand sie die Absperrung und verschwand hinter den Rücken der Bewaffneten. Sie sprach mit dem Kommandeur der Einheit.
    Wo war Juschtschenko in diesem Augenblick? Weder Demonstranten noch Journalisten bemerkten, wann er diesen Ort verlassen hatte und wohin er gegangen war. Warum zog er sich zurück und ließ Julia Timoschenko mit mehreren Hundert Bewaffneten allein? Mitarbeiter erklärten später, Juschtschenko sei zur Rada zurückgegangen. Weshalb? Weil dort irgendein Ausschuss tagte. Julia Timoschenko hat, als sie Juschtschenko des Verrats anklagte, diese Episode nie erwähnt. Obwohl sie dazu Anlass gehabt hätte. Allerdings hätte auch Juschtschenko über ihr Verhalten mit ihr streiten können. Sie war zu weit gegangen. An jenem Abend und noch mehrmals in den darauffolgenden Tagen hätte ein falsches Wort, der Schuss eines Milizionärs, dem die Nerven versagten, der Steinwurf eines Demonstranten genügt, um die bis zum Äußersten gespannte Lage eskalieren zu lassen. Dann wäre das erste Blut geflossen. Und aus dem fröhlichen Karneval auf dem orangefarbenen Maidan hätte ein Blutbad werden können.
    Zu Juschtschenkos Gunsten sprechen weitere Argumente. Im Unterschied zu Lady Ju war er zur Präsidentenwahl angetreten, galt nun als der Hauptfeind der alten Staatsmacht und daher als Zielscheibe für die Kugel eines Scharfschützen, für eine Bombe unter seinem Wagen oder eine Handgranate, die aus der Menge geflogen kam. Er war

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