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Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie

Titel: Julia Timoschenko - die autorisierte Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilia Milstein , Dmitri Popov
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den Schutzschilden der Sondereinheit verkündete sie auf dem Maidan, dass man nun alle zentralen Behörden des Landes belagern werde. »Heute beginnen wir mit einer organisierten, nicht aggressiven, aber ausreichend wirksamen Blockade des Ministerrates und der Obersten Rada. Der Ring um die Präsidialadministration wird verstärkt. Heute Abend werden wir alle Vertreter der Staatsorgane mit Freude nach Hause entlassen, aber morgen wird keiner mehr zu seinem Arbeitsplatz gelangen, weil wir alle Zugänge versperren. Wir verordnen ihnen ein wenig Zwangsstreik«, fügte sie mit spitzbübischem Lächeln hinzu.
    Unter den Fenstern der Regierungsgebäude und später auch des Landhauses von Präsident Kutschma fing es an zu dröhnen. Tag und Nacht schlugen die Menschen dort mit Eisenstangen gegen leere Blechtonnen. Bis zum letzten Tag der Revolution sollte dieser unerträgliche Lärm das ganze Zentrum von Kiew erfüllen. Die durchgerosteten, rußgeschwärzten Fässer waren übrigens ein Geschenk von Janukowitsch. Sie waren als offene Feuerstellen gedacht, an denen sich seine Anhänger, die man aus Donezk herbeigeschafft hatte, aufwärmen sollten. Ein Teil der Donezker hatte sich den Demonstranten auf dem Maidan angeschlossen, die Mehrheit war nach Hause gefahren. Die Fässer blieben zurück und wurden so zur bedrohlich dräuenden, zumindest zur weithin hörbaren Waffe der Revolutionäre.
    Kutschma hatte immer geglaubt, er könne jeden ukrainischen Politiker überlisten, kaufen oder einschüchtern. Angesichts der Millionen Menschen auf den Straßen von Kiew war aber auch er machtlos. In diesen Tagen hatte er nur noch Angst. Der Weg zu seinem Arbeitsplatz war ihm von den in Orange gehüllten Massen versperrt. Das Dröhnen der Blechtonnen vor seinem Landhaus brachte ihn fast um den Verstand. Er musste daran denken, welches Schicksal Ceaușescu ereilt hatte. Als es ihm einmal so schien, als kletterten bereits die ersten Demonstranten über den Zaun, verlor er die Nerven. Seine Tochter rief in hysterischem Ton beim amerikanischen Botschafter an und verlangte, er möge Juschtschenko dazu bewegen, die Aktion zu stoppen.
    Aber selbst in den schwersten Tagen seines Lebens blieb Kutschma sich treu. Nach wie vor wollte er keinem anderen den Sieg in diesem Spiel gönnen, weder Juschtschenko noch Janukowitsch. Und wäre da nicht der brutale Druck der »Radikalen« unter Führung Julia Timoschenkos gewesen, die auf Parlament und legale Methoden pfiffen, dann hätte er wohl kaum eingelenkt. Bestimmt wäre ihm noch eine Möglichkeit eingefallen, zur Macht zurückzukehren.
    Mit verkniffenem, vom Lärm gezeichneteten Gesicht tat Kutschma das, was er seit zehn Jahren im Präsidentenamt tat: Er legte sich die politischen Karten. Wenn er Gewalt anwandte, wie ihm sein Moskauer Freund wahrscheinlich geraten hatte, dann konnte er früher oder später vor dem Haager Tribunal landen. Wenn er aus eigenem Antrieb zurücktrat, griff möglicherweise Janukowitsch zu Gewalt und wälzte dann die Schuld auf ihn ab. Am vorteilhaftesten war für ihn, wie er es sah, in dieser Situation die Rolle des Friedensstifters zu spielen.
    Sein cleverster Zug in diesem Spiel war zweifellos der Entschluss, Vermittler aus Europa ins Land zu holen, die mit der Opposition sympathisierten. Als er Juschtschenko dazu bewegte, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, schnitt er ihn damit vom Maidan und von Julia Timoschenko ab. Da er als Vermittler die Präsidenten Polens und Litauens Aleksander Kwasniewski und Valdas Adamkus, dazu den spanischen EU-Vertreter Javier Solana eingeladen hatte, blieb der Opposition keine Wahl. Kutschma wusste genau, dass Jusch­tschenko mit niemand anderem verhandeln würde.
    Der russische Duma-Präsident Boris Gryslow, der sich etwas später anschloss, war eigentlich nicht erforderlich, wurde aber aus formalen Gründen eingeladen. Eine besondere Rolle konnte er nicht spielen, dafür war Putins Haltung von Anfang an zu anrüchig gewesen. Und der seinem Chef blind ergebene Gryslow galt nicht einmal in Moskau als politisches Schwergewicht. In den Verhandlungen suchte er Janukowitschs Interessen zu wahren. Aber der war Kutschma egal. Mit den Verhandlungen wollte er keineswegs Janukowitsch retten. Der brutale Typ aus Donezk war dem Kiewer Establishment von Anfang an fremd gewesen, und in den Tagen des Maidan war auch in ihm etwas zerbrochen. Janukowitsch hatte nicht erwartet, dass gegen seinen Sieg Millionen Landsleute in der ganzen Ukraine protestieren

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