JULIA VALENTINSBAND Band 19
gebügelt und die Schuhe auf Hochglanz poliert. Obwohl ein leichter Windhauch ihm gerade das dunkle Haar zerzaust hatte, kriegte er es irgendwie hin, so auszusehen, als hätte eine Windmaschine ihm perfekt durchs Haar gewirbelt.
Ja, er war einfach perfekt. Daran musste es liegen, dass sie sich in seiner Nähe immer irgendwie ungeschickt und tollpatschig fühlte. Als ob sie zwei linke Hände hätte. Kurz und gut, in seiner Nähe kam sie sich vor wie … ein ungemachtes Bett. Wie oft verspürte sie dann unwillkürlich das Bedürfnis, mit den Händen über ihre verknautschte Kleidung zu streichen. Wie oft hatte sie sich gewünscht, sich morgens ausgiebiger ihrer unbändigen Lockenfrisur gewidmet zu haben, und wie oft hatte sie mit einem Blick in den Spiegel überprüft, dass keine Reste vom Spinatsalat an ihren Zähnen hängen geblieben waren.
Obwohl all dies vollkommen lächerlich war. Was kümmerte es sie, ob er sie körperlich attraktiv fand oder nicht? Zähneknirschend musste sie sich eingestehen, dass er sich noch nie dazu in irgendeiner Weise geäußert hatte. Jedenfalls nicht mit Worten. Und seine Blicke gaben ihr dauernd zu verstehen, dass er ihren Auftritt nicht schätzte. In jedem Fall machte er kein Geheimnis daraus, wie wenig er von ihrer Art und Weise hielt, das Constant Cravings zu führen.
Seit fast acht Monaten hatte sie den Laden im Fairfax gemietet, und sie war jedes Mal frustriert, wenn sie mit Evan Sawyer zu tun hatte. In Verhandlungen war er härter als jeder Betonblock. Immer wieder beklagte er sich über die Schaufensterpuppen, die sie in aufreizende Wäsche gekleidet hatte und zwei Mal monatlich neu ausstaffiert im Fenster präsentierte. Angeblich waren sie zu anzüglich. Das galt auch für die Kekse, die wie Männer- und Frauenkörper geformt waren und reißenden Absatz fanden. Seit kurzem spielte sie mit dem Gedanken zu expandieren und hatte ihm vorgeschlagen, den Laden direkt neben dem Café, an der vorderen Seite des Gebäudes, anzumieten, sobald er frei würde. Evan Sawyer hatte ihren Vorschlag nicht kommentiert. Aber er hatte sie angeschaut, als wollte er sie mit seinem Blick durchbohren …
Eigentlich hätte man erwarten können, dass der Kerl begeistert zustimmte, denn das Constant Cravings konnte solide Bilanzen vorweisen und zahlte einen ordentlichen Anteil an das Fairfax. Aber nein, ihm fiel nichts Besseres ein, als sich zu beschweren. Er sitzt mir wie ein Stachel im Fleisch, sinnierte Lacey. Verklemmt, dickköpfig und arbeitswütig … in seiner Brust schlägt bestimmt ein geklontes Herz. „Geklonte Herzen“ nannte sie die Menschen, die niemals Spaß im Leben hatten. Ausgeschlossen, dass Evan Sawyer es verstand, die schönen Seiten des Lebens zu genießen … Sie konnte nur vermuten, dass er im Bett die absolute Null war.
Zu dumm, denn er sah nun mal mehr als passabel aus, natürlich nur, falls man sich für einen zugeknöpften Geschäftsmann wie ihn interessierte. Was bei ihr selbstverständlich ganz und gar nicht der Fall war. Wie praktisch, denn es wäre reichlich idiotisch, wenn sie einen Kerl attraktiv fand, der absolut nicht ihr Typ war. Was interessierte es sie also, dass er in seinen perfekt sitzenden Anzügen wirklich mehr als gut aussah? Was interessierte es sie, wenn seine Augen so blau strahlten, wie sie es noch nie vorher gesehen hatte? Es war absurd. Viele Männer besaßen einen Traumkörper und strahlend blaue Augen. Viele dieser Männer wussten sicher auch, wie man lächelte. Und lachte. Männer, die es sogar wagen würden, für ein paar Minuten aus dem Alltag auszusteigen, um den Duft der Rosen zu genießen. Sie störten sich nicht an Keksen, die wie Körper geformt waren.
Dieser Evan Sawyer brachte sie vollkommen durcheinander. Lacey durfte es ihm auf keinen Fall gestatten, ihr den wundervollen Tag zu verderben. Sie wandte sich ab und steuerte auf den Tisch der Wahrsagerin zu, als er ihren Blick auffing. Plötzlich überfiel sie das unerklärliche Gefühl, in die Falle getappt zu sein. Es war, als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren. Ein paar Sekunden lang starrten die beiden einander unverwandt an. Laceys Rücken prickelte angenehm warm … zweifellos lag es daran, dass der Mann wirklich unverschämt attraktiv war. Warum hatten die Götter ihn nur so reich gesegnet, als sie hübsche und weniger hübsche Gesichter verteilt hatten? Denn eigentlich hätte er es verdient, sich als hässlicher Zwerg durchs Leben schlagen zu müssen. Als warnendes Beispiel
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