JULIA VALENTINSBAND Band 19
Ihre Lebenslinie ist nicht kurz“, stellte Madame Karma klar und beugte sich wieder hinunter, „und ja, eines Tages werden Sie drei Kinder haben.“
Obwohl Chloe sich fast auf die Zunge gebissen hatte, konnte sie ein entnervtes Schnaufen nicht unterdrücken. Madame Karma riss den Kopf hoch und zog die Augenbrauen zusammen, während die leichte Brise sich plötzlich zu einem heftigen Windstoß entwickelte. Auch die anderen Partygäste machten überraschte Bemerkungen, aber die Wahrsagerin hatte nur Augen für Chloe. „Sie glauben mir nicht?“
„Tut mir leid.“ Chloe bemühte sich um ein Lächeln. „Sie sind bestimmt sehr nett …“
„Das spielt keine Rolle. Junge Frau, Ihr Schicksal liegt mir klar und deutlich vor Augen. Und ich rate Ihnen, die Sache wesentlich ernster zu nehmen, als Sie es bisher für nötig gehalten haben.“
Chloe ließ den Blick über den geräumigen Innenhof des Fairfax-Centers schweifen. Die Sonne hatte sich eben hinter einem grauen Wolkenschleier versteckt. Trotzdem herrschte auf dem Gelände keine trübe Stimmung, denn überall strahlten und funkelten die festlichen Lichter. Ohne Schwierigkeiten konnte sie ins Schaufenster des Cafés und sogar noch bis in den Laden hineinschauen, wo sie das köstliche Konfekt, die Torten und das Gebäck auf dem Tresen aufgereiht sah. Ihr knurrte der Magen. „Okay. Ja, Sie haben recht. Ich sollte die Sache ernster nehmen“, gab sie nach. „Ich höre zu.“ Denn je schneller sie die Frau zu Wort kommen ließ, desto eher hatte sie es hinter sich.
Madame Karma schwieg einen Moment lang und warf ihr einen Blick zu. Chloe fühlte sich unbehaglich und achtete angestrengt auf das Café mit den Köstlichkeiten. „Ich habe eine Prophezeiung für Sie“, begann die Wahrsagerin.
Hoffentlich prophezeit sie mir Süßigkeiten und Gebäck in der nächsten Zukunft, hoffentlich eine Menge davon, dachte Chloe, und obwohl sie sich alle Mühe gab, aufmerksam zu bleiben, wanderte ihr Blick wieder hinüber zu dem Café Constant Cravings. Dort gab es zweifellos die besten Torten, die sie jemals probiert hatte.
„Die wahre Liebe wird in Ihr Leben treten“, sagte die Wahrsagerin stattdessen. „Noch heute Abend.“
Unwillkürlich richtete Chloe den Blick auf die Frau ihr gegenüber. Ob sie wollte oder nicht, sie brach in schallendes Gelächter aus.
Madame Karma schien sie mit ihrem Blick zu durchbohren. Wieder fegte ein Windstoß durch den Innenhof. „Finden Sie das lustig?“
„Bitte entschuldigen Sie.“ Chloe schluckte schwer. „Es … es ist einfach lächerlich.“
„Was? Die Liebe?“
„Nein.“ Sie schob eine Haarsträhne zurück, die sich durch den Wind aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, und zitterte. War es plötzlich kälter geworden? „Ich lache darüber, dass Sie den Mut haben, mir direkt ins Gesicht und ohne Zweifel die große Liebe vorauszusagen, und das für heute Abend. Also, ich hatte mir gerade vorgestellt, dass die Liebe auf zwei Beinen …“ Ihre Stimme verlor sich, und sie lachte kurz auf.
Madame Karma straffte die knochigen Schultern, als der Wind wieder auffrischte. Ein paar Pailletten lösten sich aus ihrem farbenfrohen Kleid und schwebten zu Boden. „Glauben Sie nicht an meine Fähigkeiten? Oder nicht daran, dass Sie die wahre Liebe finden können?“, fragte sie und klang dabei freundlich.
Hm. Wie wäre es mit beidem, dachte Chloe insgeheim. Eigentlich war sie eine vernünftige Frau. Vernünftig und manchmal vielleicht ein bisschen dickköpfig. Okay, oft sogar ziemlich stur. Aber war es nicht vernünftig, mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen? Ihr hatte es immer geholfen.
Nein, sie glaubte nicht an die Liebe auf den ersten Blick.
Natürlich war es theoretisch eine wunderbare Sache. In ihrer Jugend hatte sie sich mächtig dafür interessiert und jede Menge Frösche geküsst, in der Hoffnung, dass irgendwann der Prinz vor ihr stehen müsste.
Nur war er leider nie erschienen.
Oder vielleicht hatte er es einfach nicht lange genug bei ihr ausgehalten.
Aber das ging Madame Karma absolut nichts an – obwohl die Wahrsagerin Chloe anstarrte, als wäre sie ein Versuchstier unter dem Mikroskop. „Es ist so“, beharrte die ältere Dame, „die wahre Liebe wird in Ihr Leben treten. Sie können dem Schicksal nicht entkommen, indem Sie es verleugnen.“
„Soll ich ernsthaft glauben, dass irgendein Kerl hier auf diese Party spaziert, mich ausfindig macht und sich als Liebe meines Lebens zu erkennen gibt?“
„Es war gar
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