JULIA VALENTINSBAND Band 19
dass er wegen einer Verabredung im Fairfax erschienen war, dass sein Date ihn aber im Stich gelassen hatte. Ian fühlte sich ausgesprochen mies.
Sanft strich sie mit den Fingerspitzen über seine Wange. „Ich kann dich nach Hause fahren.“
Es ging ihm noch schlechter.
„Aber was hast du hier zu suchen?“, hakte Chloe nach. „Im Antiquitätenladen, wenn er geschlossen ist? Warum fesselst du mich mit Handschellen?“
Gute Frage. „Ich bin hergekommen, um dich noch mal zu sehen.“
Oder um dich zu vernehmen, fuhr er lautlos fort, such dir die passende Antwort aus.
„Oh.“ Chloe klang irritiert, während sie vorsichtig mit den Handschellen klimperte. „Ich begreife immer noch nicht, warum du es nicht zugegeben hast.“
Zum Teufel noch mal, fluchte er in sich hinein. Sie klang jetzt zwar nicht mehr ängstlich, dafür aber verletzt. Natürlich war er froh, dass sie sich nicht mehr ängstigte. Aber auf keinen Fall wollte er sie verletzen.
Zu dumm, dass ihm nicht alles gelang, was er sich vornahm.
Ian konnte nicht vermeiden, ihr ein Stückchen der Wahrheit zu servieren. „Ich habe es nicht zugegeben, weil ich heute Abend nicht gesehen werden möchte.“
„Was soll das heißen? Unten im Hof hat man dich doch gesehen.“
„Das bezweifle ich. Ich habe mich einfach unter die Leute gemischt. Man hat mich zwar gesehen, aber niemand hat mich beachtet“, erklärte Ian in die Dunkelheit hinein und hob den Kopf. „Niemand. Hast du mich verstanden?“
Seine Frage prallte auf eine Mauer des Schweigens.
Chloe schwieg so lange, dass er ihr aus Sorge beinahe den Puls gefühlt hätte, um ihren Kreislauf zu überprüfen … wenn er nicht gespürt hätte, wie ihr Herz dicht vor seiner Brust pochte.
„Ian, du guckst mich so komisch an“, bemerkte Chloe ruhig und bedächtig. „Stecke ich in Schwierigkeiten?“
Ian berührte ihr Haar und kämpfte gegen den Impuls, das Gesicht an der weichen Stelle zwischen Schulter und Nacken zu verbergen. Ja, allerdings. Sie steckte in Schwierigkeiten.
Genau wie er.
5. KAPITEL
„Ian?“, flüsterte Chloe in die Dunkelheit hinein. Mit einer Hand berührte sie noch immer sein Gesicht, während die andere in Handschellen gefesselt war.
Handschellen.
Sie war mit Handschellen an Ian McCall gefesselt. Und sie rief sich ins Gedächtnis, dass noch ganz andere Dinge passiert waren.
Sie hatten sich geküsst.
Dieser Kuss hatte ihnen beinahe den Verstand geraubt. Er war explosiv und voll wilder Leidenschaft gewesen, heißer als alles andere, was sie seit langem erlebt hatte … seit sie mit ihm zusammen gewesen war. „Ich verstehe nicht“, hakte Chloe nach, „wen observierst du? Was geht hier vor? Warum ist es nötig, dass das FBI ermittelt?“
Ian lehnte sich mit seiner Stirn an ihre und beantwortete die Fragen mit einer Gegenfrage. „Chloe, warum bist du heute Abend hier aufgetaucht?“
„Ich habe ein Geräusch gehört.“
„Besitzt du einen Schlüssel?“
„Ich kümmere mich um ihre Finanzen, und wenn sie auf Reisen sind, habe ich ein Auge auf den Laden.“
„Dann bist du eng mit ihnen befreundet?“
Chloe blieben die Worte im Halse stecken, und sie erstarrte innerlich. „Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass du mich verhören willst.“
Wieder gab Ian keine Antwort. Sie glitt mit der Handfläche seinen angespannten Arm hinunter, griff nach der Taschenlampe und hob sie hoch, um in sein Gesicht zu leuchten.
Ian zuckte nicht zusammen, sondern schaute sie direkt an – aus diesen Augen, die früher mal so verträumt gewesen waren … und in denen immer noch das Verlangen schimmerte, das sie beide gerade überfallen hatte.
Aber es gab noch etwas. Irgendetwas, das ihre Nerven noch mehr in Alarm versetzte als die Handschellen.
Sorge. „Ian, du machst mir Angst. Was ist hier los?“
„Lass uns einfach verschwinden“, erwiderte er und wandte sich um.
Nein. Auf keinen Fall würde Chloe ohne eine Antwort verschwinden. Sie zerrte an ihm, um ihn zurückzuhalten. Leider fiel dabei die Taschenlampe zu Boden.
Es krachte vernehmlich, das Licht flackerte und erlosch. Die Lampe funktionierte nicht mehr.
„Das ist schon die zweite“, murmelte Ian.
Seine leise Stimme klang ein wenig grimmig. Chloe konnte nichts erkennen und fühlte sich, als habe sie körperlos in die Dunkelheit hineingesprochen. Innerlich war irgendetwas in Bewegung geraten, sie spürte, dass sich ein unbestimmtes Gefühl in ihr regte.
Lag es vielleicht an dem Kuss?
Oder es lag daran, dass er so
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