JULIA VALENTINSBAND Band 21
nach ihr aus, ohne ihr diesmal die Gelegenheit zu lassen, ihm auszuweichen. Mit dem Finger tippte er auf ihr Kinn. Er kniff die Augen leicht zusammen, während er sie unentwegt anblickte.
„Millburn war lediglich ein kurzer Halt auf dem Weg, der mich früher oder später ins Gefängnis geführt hätte. Wahrscheinlich würde ich jetzt hinter Gittern sitzen, wenn ich nicht an einen Polizisten geraten wäre, der mich statt zur Polizei zu einem Armeeanwerber geschickt hat.“
Sie hatte das bei ihm gespürt. Diese Verwegenheit. Das Gefährliche. Es hatte nur noch seine Anziehungskraft verstärkt. Die wohlerzogene, vorsichtige Caroline Walters war genauso von dem jahrhundertealten Verlangen getrieben gewesen, die Frucht des Verbotenen zu kosten, wie sie der Anblick seiner engen Jeans fasziniert hatte.
„Du sagtest, dass sich dein Leben dadurch verändert hätte“, erklärte er grimmig. „Dasselbe hat die Armee bei mir bewirkt. Geschenkt, könntest du sagen. Im Gegenzug habe ich alles, was ich konnte, an meine Kompanie gegeben, solange ich die Uniform trug. Als ich die Armee verließ, habe ich den Polizisten aufgesucht, der mir damals vor vielen Jahren in den Hintern getreten hatte. Harry ist inzwischen mein Senior-Stellvertreter für alle Operationen.“
Er strich mit dem Daumen über ihre Wange. In seinen unwiderstehlichen bernsteinfarbenen Augen lag eine Botschaft, die sie nicht entschlüsseln wollte.
„Jetzt bist du dran, Caroline. Auf die eine oder andere Art beabsichtige ich, das mit uns wieder ins Lot zu bringen.“
2. KAPITEL
Rory konnte sehen, dass er seine Beraterin mehr oder weniger umgehauen hatte. Keine große Überraschung. Er war auch ziemlich betroffen gewesen, nachdem er erfahren hatte, dass er durch sein unverantwortliches Verhalten und seine Gedankenlosigkeit ein Kind gezeugt hatte.
Die Frau, die mit den Folgen dieses Verhaltens hatte klarkommen müssen, sah ihn nun stirnrunzelnd an. Ihr herzförmiges Gesicht zeigte Misstrauen und Erstaunen. In ihren grasgrünen Augen konnte er erkennen, wie sehr sie sich bemühte, den Schock über sein unerwartetes Wiederauftauchen zu verarbeiten.
„Ich … ich brauche etwas frische Luft. Am besten, du richtest dich erst mal ein. Wir können dann später reden.“
Sie würden mehr tun als reden. Dazu war Rory fest entschlossen. Doch er würde ihr erst einmal etwas Zeit lassen, um sich zu erholen, bevor er den nächsten Schritt seines Plans in Angriff nahm.
„Ich konnte mich immer noch nicht auf die europäische Zeit umstellen“, sagte er. „Wie wäre es mit einem frühen Abendessen? Sechs Uhr?“
„Okay, sicher. Geht in Ordnung.“
„Ich warte unten in der Bar auf dich.“
Mit einer etwas fahrigen Geste deutete sie auf den Lederfolder auf dem Kaffeetisch. „Die Informationen zum Konferenzablauf befinden sich in dem Hefter dort. Wir sehen uns später.“
Das würden sie ganz sicher. Rory hatte nicht all diese Jahre in der Armee verbracht, ohne zu lernen, wie man sich auf außergewöhnliche Situationen vorbereitete. Er hatte eine ganze Menge Zeit in die Operation Caroline Walters investiert.
Nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, versuchte er, die Frau, die aus ihr geworden war, mit der Siebzehnjährigen von damals in Einklang zu bringen. Das war gar nicht so einfach. Seine Erinnerung an diesen Sommer war ziemlich diffus.
Mit gutem Grund. Nach einer letzten heftigen Auseinandersetzung mit seinem trunksüchtigen Vater hatte er mit sechzehn sein Zuhause verlassen. Mehr als ein Jahr war er auf seiner alten Ducati 600, die er sich selbst aus gebrauchten Teilen zusammengeflickt hatte, durchs Land gefahren, um unterwegs hin und wieder ein paar Hilfsjobs anzunehmen. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er nicht ganz einen Monat in der Autowerkstatt von Buck Walters gearbeitet. Millburn, Kansas war für seinen Geschmack zu flach, zu staubig und todlangweilig gewesen.
Das hatte man von Walters’ Nichte allerdings nicht behaupten können. Vage erinnerte sich Rory noch an dieses schüchterne Lächeln, das peinlich berührte Erröten, wann immer er ihrem Blick begegnete, und ihre Shorts, in denen außerordentlich gut geformte Beine steckten.
Die Beine hatten ihn sehr viel mehr interessiert als das Lächeln und das Erröten. In dem Alter war er so ein geiler Mistkerl gewesen. Die meiste Zeit war er mit einem Ständer herumgelaufen. Und er musste natürlich immer sein T-Shirt ausziehen, wenn die schüchterne Brünette in die Werkstatt ihres
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