JULIA VALENTINSBAND Band 21
gefolgt und hatte die Highschool im Fernstudium beendet, sich durchs College gearbeitet und mit einem Vollstipendium ihren Abschluss gemacht. Während ihres Grundstudiums hatte sie die beiden Frauen kennengelernt, die ihre besten Freundinnen werden sollten und letztendlich ihre Geschäftspartnerinnen. Sie hatte sich ihr eigenes Leben aufgebaut. Sie brauchte sich vor niemandem zu rechtfertigen, am allerwenigsten vor diesem Mann.
Aber ganz sicher hatte er ihr einiges zu erklären!
„Du hast gesagt, du hättest vor drei Monaten herausgefunden, dass ich schwanger war.“
„Stimmt.“
„Wie?“
Er warf die Schlüsselkarte auf den Kaffeetisch und zerrte an seinem Krawattenknoten. „Ich war mit einem potenziellen Kunden essen. Es stellte sich raus, dass seine Frau aus Millburn kommt.“
Millburn, Kansas. Bevölkerungszahl um die neuntausend. Die Stadt, in der Caro die ersten siebzehn Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Die Stadt, in die sie während all der Jahre, nachdem sie sie verlassen hatte, nur ein einziges Mal zurückgekehrt war – zum Begräbnis ihres Vaters.
„Die Frau heißt Evelyn Walker“, fuhr Burke fort, während er die Krawatte vom Kragen zog, die seidig leicht über die gestärkte Baumwolle glitt. „Mädchenname Brown. Vielleicht kennst du sie noch?“
„O ja. Ich erinnere mich an Evelyn Brown.“
Sie waren nicht befreundet gewesen. Auf dem Schulkorridor hatten sie so gut wie nie ein Wort gewechselt. Aber Evelyn hatte den Chor des höhnischen Gelächters und der abfälligen Bemerkungen angeführt, nachdem durchgesickert war, dass die spröde und zimperliche Caroline Walters sich hatte schwängern lassen.
„Ich habe die Frau gefragt, ob sie dich kennt.“
Er blickte ihr gerade in die Augen. Diese eindringlichen, gefährlichen Augen, deren Blick Caro vor all diesen Jahren immer wieder hatte erschauern lassen.
„Sie erzählte mir, dass du vor Beginn des Abschlussjahres die Highschool verlassen hättest. Und sie hat mir auch gesagt, warum.“
„Damals waren sie schwangeren Teenagern gegenüber noch nicht so tolerant wie heute.“
Das konnte sie ohne Bitterkeit sagen. Sie hatte dem Schulberater, der sie zu sich gerufen hatte, um ihr zu sagen, dass sie gehen müsse, nie einen Vorwurf gemacht. Ebenso wenig ihren Eltern, die sie weggeschafft hatten, um sie bei Fremden leben zu lassen. Sie war diejenige gewesen, die alle Prinzipien über Bord geworfen, nicht auf die Warnung ihrer Eltern, Lehrer und des Pfarrers geachtete hatte und an diesem schwülen Sommerabend auf dieses Motorrad gestiegen war.
„Als ich erfuhr, was passiert ist …“
Ein energisches Klopfen unterbrach Burkes Erklärung. Mit einem unterdrückten Fluch ließ er den Gepäckträger mit den Koffern herein.
Caro nutzte die Unterbrechung erleichtert. Sie wandte sich zu der breiten Terrasse um und starrte durch die Glastüren. Die umwerfende Aussicht hatte sie vergangenen Monat fasziniert, als sie die Räumlichkeiten für die GSI-Konferenz ausgesucht hatte. Jetzt beachtete sie das mittelalterliche Kastell hoch oben auf dem Felsen am Ende des perfekten halbkreisförmigen Strandes kaum.
Touristen schlenderten auf dem breiten Deich, der den Strand umgab, bewunderten die Überbleibsel des Gehweges, der zuerst von den Römern angelegt worden war, in einer Zeit, als Spanien noch zu einer ihrer weitläufig gelegenen Provinzen gehörte. Ein paar Fischer saßen neben ihren Booten, die sie auf die Sandbank gezogen hatten, und flickten ihre Netze. Nicht weit entfernt hatten sich einige beherzte Sonnenanbeter bereits auf ihren Handtüchern oder Decken ausgestreckt.
Es war eine pittoreske Postkartenszenerie, die Caro in ihrer jetzigen Stimmung nicht genießen konnte. Doch auf den endlosen Himmel und das Meer zu starren, gab ihr ein wenig Zeit, um ihre überbordenden Gefühle in den Griff zu bekommen, bevor sie sich wieder Burke zuwandte.
„Evelyn hat dir also erzählt, dass ich schwanger war. Willst du wissen, was mit dem Baby passiert ist?“
„Ich weiß, was passiert ist. Natürlich habe ich, nach dieser Information, die Geburtsregister überprüft.“
Geburts- und Todesanzeige. Ein und dasselbe für das tot geborene Baby, das sie begraben hatte. Nur der mitfühlende Direktor des Heims war bei ihr gewesen.
Sie bemühte sich, die betrüblichen Erinnerungen zu verdrängen, aber Burke musste ihr angesehen haben, was sie fühlte. Er kam auf sie zu und streckte die Hand aus.
Caro, die Mühe hatte, sich zu beherrschen, zuckte sofort
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